Just me - aus Lottes Leben

Stories, welche das Leben der versch. Charaktere bei der Stargate Einheit darstellen.

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Lotte van der Helden
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Re: Just me - aus Lottes Leben

Beitragvon Lotte van der Helden » Dienstag 4. Juni 2013, 18:22

Through the Looking-Glass VIII (Mai 2013)

Lotte erwachte in einer wirklich unbequemen Position. Sie saß an einem Tisch, den Kopf auf den Armen, und war vor einer leeren Kaffeetasse eingeschlafen. Sie fühlte sich schlecht und erinnerte sich nicht wirklich daran, wie sie hier gelandet war. Zu wenig Schlaf? Brütete sie einen Infekt aus? Vermutlich beides... Lotte rieb sich über die Augen und sah sich in der Kantine der Odyssey um. Einige wenige Crewmitglieder bevölkerten die Kantine, es ging ruhig zu und keiner beachtete Lotte so wirklich. Vor dem Fenster sah man das bläuliche Leuchten des Hyperraumfluges.
Lotte seufzte und streckte sich. Dann schnappte sie sich die leere Tasse und schnüffelte kurz daran. Kaffee, wie zu erwarten. Sie erhob sich und brachte die Tasse weg, dann stellte die Niederländerin sich ans Fenster und blickte hinaus. Sie fühlte sich zwar immer noch unwohl auf dem Raumschiff, aber es war lang nicht mehr so schlimm wie zu ihrer Anfangszeit beim SGC. Inzwischen konnte sie den Anblick, den der Flug durch den Hyperraum bot, sogar genießen - wenn auch mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
Lotte überlegte, was sie hier auf der Odyssey machte, und was der Auftrag des Schiffes war. Aber mehr, als dass es sich um eine wichtige Mission handelte, auf die sie vor einigen Tagen geschickt worden war, bekam sie nicht zusammen. Vermutlich fehlte ihr sehr viel Schlaf. Langsam machte Lotte sich auf den Weg zur Krankenstation. Wenn sie ihren Kopf kaum dau bewegen konnte, klare Gedanken auszuspucken, würde sie da hoffentlich herausfinden, warum sie unter so großem Schlafmangel litt. Und davon abgesehen wussten die Mitarbeiter der Krankenstation eigentlich immer, was auf dem Schiff gerade los war. Als Lotte die Kantine verlassen hatte, lenkte sie ihre Schritte zielstrebig durch die fast leeren Korridore. die Krankenstation war beinahe genauso leer. Auf einem der Betten saßen ein Mann und eine Frau, die in ein Kartenspiel vertieft waren. Die beiden Sanitäter sahen nur kurz auf und nickten Lotte zu.

Lotte erwiderte das Lächeln und trat zu den Beiden. "Na, hier ist auch nicht wirklich was los..."
"Neeee..." antworteten die beiden Sanitäter fast gleichzeitig.
Lotte schmunzelte. "Ich bin in der Kantine eingepennt und noch ganz matschig im Kopf. Hab ich irgendwas wichtiges verpasst?"
Die beiden Mitarbeiter der Krankenstation sahen sich kurz an und dann wieder zu Lotte. "Wir hatten einen Techniker, der sich in den Finger geschnitten hatte. Er hat ein Pflaster bekommen und ist dann glücklich wieder davon gezogen." antwortete die Frau.
"Oooh, wow." Lotte fuhr sich seufzend durchs Haar. "Wie spät ist es überhaupt?"
"Kurz nach drei." antwortete der Mann nach einem kurzen Blick auf die Uhr.
Lotte konnte sich immer noch nicht wirklich daran erinnern, warum sie auf der Odyssey war. Freiwillig hatte sie sich sicher nicht gemeldet, dessen war sie sich immerhin sicher. Aber sie wollte ihre Gedächtnislücke natürlich auch nicht zugeben. Das würde vermutlich nur eine Menge unangenehme Fragen und eventuell unangenehme Untersuchungen nach sich ziehen. Sie würde nur ausreichend Schlaf und dann einige Tassen starken Kaffee benötigen, dann würde es ihr schon wieder gut gehen.
"Sie können sich gerne für eine Stunde oder so hinlegen, Frau Doktor. Wenn was ist, rufen wir sie."
"Mhm..." Lotte wollte diesem Vorschlag gerne nachkommen, sie konnte sich nur nicht daran erinnern, wo ihr Quartier sich befand. "Okay, bis später..."
Die beiden Sanitäter hatten sich bereits wieder in ihr Kartenspiel vertieft. Beide murmelten ebenfalls "Bis später.", beachteten Lotte aber gar nicht weiter.

Die Niederländerin begann, ziellos durchs Schiff zu wandern. Bevor ihre Grübeleien jedoch zu einem Ergebnis führten, ging ein leichtes Rucken durch das Schiff. Durch das nächste Fenster konnte Lotte erkennen, dass die Odyssey aus dem Hyperraum gefallen war. Lotte sah einen Moment aus dem Fenster, schlug dann aber den kürzesten Weg zur Missionsplanung ein. Dort würde sicher jemand wissen, was los war. Bevor Lotte jedoch weit gekommen war, gingen die roten Lampen des Schiffes an. Aus den Lautsprechern schallte die Durchsage: "Gesamte Crew auf ihre Posten! Crash Crews zu ihren Abteilungen! Dies ist keine Übung! Gesamte Crew auf ihre Posten! Crash Crews zu ihren Abteilungen! Dies ist keine Übung!"
Lotte rutschte das Herz sprichwörtlich in die Hose. Eigentlich fühlte sie sich immer noch einigermaßen sicher, aber eine gefährliche Situation, womöglich sogar eine Kampfsituation, an Bord eines Raumschiffes... Da fielen ihr viele Orte und Situationen ein, an denen sie sich lieber befunden hätte. Im Eilschritt machte die Ärztin sich auf den Rückweg zur Krankenstation. Auch andere rannten durch die Gänge, als ein dumpfer Schlag das ganze Schiff erzittern ließ. Eine Sirene begann zu heulen und informierte die Crew damit, dass das Schiff unter Beschuss stand. Lotte versuchte, ihre Umgebung und auch ihre eigene Angst einfach auszublenden. Auf der Krankenstation würde es Verletzte geben, die ihre Hilfe brauchten, das würde sie dann ablenken. Sie musste die Krankenstation nur erreichen. Das feuerfeste Schott, das zur Krankenstation führte, war geschlossen. Lotte konnte erkennen, dass sich auf der anderen Seite des kleinen Fensters im Schott Eiskristalle gebildet hatten. Die Niederländerin blieb erschrocken stehen und starrte das Schott an. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Ihre Gedanken bewegten sich mit der Zähigkeit eines Kaugummis. Langsam trat sie näher an das Schott und blickte durch das Fenster. In der Außenhülle klaffte ein großes Loch, alle losen Gegenstände der KS waren verschwunden.

Ein erneuter ohrenbetäubender Knall schallte durch das Schiff, gefolgt von einem knirschenden Zittern, das durchs Schiff ging. Lotte schloss kurz die Augen, schluckte ihre Angst herunter und versuchte, ihr eigenes Zittern zu unterdrücken, was ihr jedoch nur teilweise gelang. "Van der Helden an Brücke. Die KS ist... weg. Gibt es einen alternativen Sammelpunkt für medizinisches Personal?" funkte sie dann mit verängstigter Stimme.
Bevor Lotte jedoch eine Antwort erhalten konnte, sah sie eine Feuerwand durch den Gang auf sich zurollen. Lotte hatte keine Zeit mehr zu reagieren. Während sie sich noch nach einer Fluchtmöglichkeit umsah, hatten die Flammen sie bereits erfasst und umschlossen. Schlagartig wurde es dunkel. Lotte konnte ihre eigenen Gedanken hören, Angst und Panik kreisten durch ihren Kopf. So hatte sie sich den Tod nicht vorgestellt...

[Mit Dank an CJ Miller für die Inspiration]
Zuletzt geändert von Lotte van der Helden am Mittwoch 5. Juni 2013, 03:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Just me - aus Lottes Leben

Beitragvon Lotte van der Helden » Mittwoch 5. Juni 2013, 03:22

Castle of Glass I (Mai/Juni 2013)

Song des Tages (Would it matter von Skillet)

Lotte hatte das Gefühl, aus einem Alptraum zu erwachen. Die Odyssey war nicht real, aber... welche ihrer Erinnerungen war es? Das Gate am Strand? Die Zeit mit CJ? Die Mission im Irak? Der Hubschrauberabsturz? Die Gefangenschaft und Folter durch Chane? Lotte wusste es nicht. die verschiedenen, sich widersprechenden Erinnerungen quälten sie. Die lebende Leiche... Das Aufwachen im Krankenhaus, CJ an ihrer Seite... Die Angst davor, die Augen zu schließen und ihn nie wieder zu sehen...

"Lotte? Lotte?" drang dumpf eine Stimme zu Lotte vor. Sie wirkte unheimlich weit weg. Lotte hielt sich die Ohren zu. Sie wollte niemanden hören, erst recht niemanden sehen. Sie verstand sich einfach nicht. War sie krank? Verrückt? Sie wusste es nicht.
"Lotte? Aufstehen. Es gibt bald Frühstück und du willst doch nicht deine Sitzung verpassen, oder?"
Die Stimme wurde deutlicher und klarer. Es war eine männliche Stimme, die Lotte vage bekannt vorkam. Aber sie konnte nicht sagen, woher.
"Nein... Geh weg... Lass mich in Ruhe..." murmelte Lotte. Was immer der Mann von ihr wollte, es würde ihr weh tun. Sie wollte allein sein, sich wie ein krankes Tier in eine ruhige Ecke verkriechen und sterben.
"Ich komme in 15 Minuten nochmal wieder, bis dahin bist du aus dem Bett raus." stellte die Stimme fest. Durch die geschlossenen Augenlider bemerkte Lotte, dass es heller wurde. Schritte entfernten sich, gedämpfte Stimmen waren zu hören, aber nicht zu verstehen.
Lotte blinzelte und sah sich vorsichtig um. Sie war fühlte sich erschöpft und zittrig. Beinahe erwartete sie, sich wieder in irgendeiner alptraumhaften Umgebung wiederzufinden. Doch der Raum, in dem sie sich befand, wirkte auf den ersten Blick harmlos, ja sogar fast vertraut. Das Zimmer war lang, schmal, und nur kärglich eingerichtet. Gegenüber vom Bett stand ein Schrank, daneben ein Waschbecken mit Spiegel. An einer der schmalen Seiten befand sich ein Fenster, an der anderen eine offen stehende Tür. Das Bett hatte ein einfaches Metallgestell. Die steife Bettwäsche fühlte sich unangenehm auf der Haut an.
Mit einem Stirnrunzeln setzte Lotte sich auf und sah an sich herunter. Sie trug ein blauweiß gestreiftes Hemd und eine blaue Jogginghose. Die Niederländerin atmete tief durch. Die Gedanken in ihrem Kopf drehten sich und kreisten immer wieder um die letzten Geschehnisse. Sie konnte sie einfach nicht verbinden, nicht erklären.
Langsam stand sie auf und trat ans Waschbecken. Lotte spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Der Mann, der sie gerade versucht hatte zu wecken, würde vermutlich gleich wieder auftauchen.
Den Blick in den Spiegel bereute Lotte beinahe sofort. Sie war dünn, blass und wirkte unheimlich erschöpft und müde. Ihre Augen wirkten stumpf und glanzlos, die riesigen Augenringe darunter ließen sie alt wirken.

Lotte schluckte und wandte sich vom Spiegel ab. Sie trat ans Fenster und sah hinaus. Das Fenster war vergittert und gab den Blick auf einige Gebäude frei, die wie Krankenhäuser aussahen. Lotte schloss die Augen und lehnte die Stirn gegen das kalte Glas des Fensters. Langsam hatte sie eine Vermutung, wo sie sich befand. Eine Vermutung, die ihr nicht gefiel. War sie wirklich verrückt geworden? Durchgedreht? Der Nervenzusammenbruch am Strand? Eine Krankheit? Oder Folter?

"Ah, bist du also doch aufgestanden?" riss die Stimme von vorhin Lotte aus ihren Gedanken. Die Niederländerin sah zur Tür. Der Mann, der dort stand, kam ihr vage bekannt vor. Es war einer der Gatetechniker des SGC. Allerdings trug er keine Uniform, sondern die übliche, weiße Kleidung eines Krankenhausmitarbeiters.
"Ja... bin ich."
"Ok, dann kannst du jetzt Frühstücken gehen, aber komm nicht zu spät zu deiner Sitzung." der Mann lächelte Lotte an, drehte sich dann um und verschwand den Gang hinunter. Lotte sah dem Mann einen Moment lang nach und folgte ihm dann langsam auf den lichtdurchfluteten, hellen Flur. Das Gebäude schien rund zu sein, von den Fenstern des leicht gebogenen Flures blickte man auf einen runden Innenhof.
Lotte sah sich nach dem Mann um und folgte ihm. Vom Flur gingen viele weitere Türen ab. Die meisten der Türen waren geschlossen, aber einige gaben den Blick auf Zimmer frei, die dem von Lotte sehr ähnlich sahen.

Der Mann trat durch eine breite Tür in einen Aufenthaltsraum. Lotte konnte mehrere Tische und Stühle sehen, einen Fernseher, Regale mit Büchern, Brettspielen und Puzzles, außerdem eine Essensausgabe hinter einer Glasscheibe mit Durchreiche. Der Mann verschwand durch eine Tür, auf der Büro stand. Die Menschen, die im Aufenthaltsraum saßen, sah Lotte kaum an. Sie fuhr sich mit dern Hand durch die Haare, drehte sich wieder um und schlich zurück in ihr Zimmer. Sie wollte nicht hier sein. Sie wollte sich an ihr Leben erinnern, die Alpträume vergessen, und einfach nur mit CJ in Kalifornien... aber war das überhaupt die Realität? Vielleicht hatte sie sich das ja nur eingebildet, und sie befand sich in Wirklichkeit in den Händen einer Verrückten, die sie quälte? Oder an Bord eines Raumschiffs... im SGC... in den Niederlanden...im Irak...
Lotte schmiss sich auf ihr Bett und zog die Decke über den Kopf. Die Tränen brannten heiß auf ihren Wangen. Die Verzweiflung, die sich in den letzten Minuten in ihr ausgebreitet hatte, schien sie zu ersticken. Sie fühlte sich unendlich allein und sehnte sich nach CJ - nach irgendwem, den sie kannte. Jemandem, der ihr Sicherheit geben würde, der ihr das Gefühl geben konnte, nicht allein zu sein. Jemandem, der ihr helfen konnte, der ihr erklären konnte, was mit ihr los war, und der sie halten würde. Aber Lotte hatte das sichere Gefühl, dass es eine solche Person nicht gab. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, sich wirklich sicher gefühlt zu haben.

- to be continued -

[Mit Dank an CJ Miller für die Inspiration]
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Re: Just me - aus Lottes Leben

Beitragvon Lotte van der Helden » Mittwoch 5. Juni 2013, 04:14

Castle of Glass II (Mai/Juni 2013)

Song des Tages (Castle of Glass von Linkin' Park)

"Komm, Lotte, du willst doch nicht wieder die Sitzung verpassen oder? Sonst gibts wieder Ärger." holte eine weibliche Stimme Lotte aus ihren düsteren Gedanken.
"Lass mich in Ruhe." Lotte versuchte, abweisend zu klingen, doch ihre tränenerstickte Stimme ließ das nicht zu.
"Aber Lotte, so...so wirst du nur wieder Ärger bekommen." Die Stimme wirkte besorgt.
"Ist mir egal. Es kann ja doch nicht schlimmer werden, oder?"
Leichte Schritte durchquerten das Zimmer, dann zog jemand an der Decke.
"Rot op!!!" Lotte hielt die Decke fest. Sie wollte einfach nur allein sein.
"Bitte Lotte, steh auf. Wenn du nicht aufstehst, dann bleib ich hier und wir bekommen zusammen Probleme."
Lotte seufzte, rieb sich über die Augen und schob dann die Decke weg. "Du bist penetrant."
Sarah lächelte Lotte erleichtert an. "Nun komm." meinte sie und zog an Lottes Hand. Lotte blinzelte kurz. Eine Erinnerung an Sarahs Abschied von SG 6 blitzte auf. Aber warum war sie hier? Das passte nicht zusammen... "Ich komm ja schon..." murmelte Lotte und stand auf.

Sarah zog Lotte in Richtung des Aufenthaltsraums. Alles in Lotte sträubte sich dagegen. Sie wollte dort nicht hin. Sie wollte allein sein. Aber sie wollte auch niemandem Probleme machen.
"Nun komm schon." Sarah zog weiter und brachte Lotte so in den Aufenthaltsraum. Dort waren inzwischen einige Stühle im Kreis aufgestellt worden. Auf diesen Stühlen saßen bereits einige Frauen. Lotte sah sie nur kurz an und wäre am liebsten wieder geflohen. Dort saßen auch Lucy und Joey. Lucy trug einen Bademantel, an dessen Ärmel sie gedankenverloren herumspielte, während Joey nervös an einer Haarsträhne herumzwirbelte.
Es versetzte Lotte einen schmerzhaften Stich, ihre Freunde und Mitbewohnerinnen so zu sehen. Was war mit ihnen passiert? Oder hatte sie das alles nur erfunden? Hatte jemand das ganze Team entführt? Schon wieder hatte Lotte das Gefühl, gleich in Tränen ausbrechen zu müssen. Schnell drehte sie sich um und starrte die Wand an.
Sarah hatte sich inzwischen gesetzt, als die Geräusche einer auf- und zuklappenden Tür zu hören waren. Dann näherten sich Schritte. "Würdest du dich bitte auch setzen, Lotte?"
Lotte schüttelte entschieden den Kopf, drehte sich aber zumindest um. Sie beobachtete Matt, der sich zu der Gruppe setzte. Er trug eine braune Cordhose und ein dunkelblaues Hemd. In der Hand hielt er einen Kugelschreiber und einen Notizblock. Kurz sah Lotte ein Bild von Matt in der Uniform des SGC vor sich aufblitzen. Sie sah ihn bei einer der SG 6-Sommerpartys mit einem Bier am Grill stehen. Aber nun... war das alles nicht wahr... Lotte blinzelte ein paar Mal und kämpfte gegen die Tränen an.
"Möchtest du lieber stehen bleiben?" fragte Matt.
Lotte rollte nur mit den Augen und setzte sich. Er war offensichtlich so etwas wie ein Therapeut, eine Diskussion darüber anzufangen, ob sie sich setzte oder nicht, war vermutlich kein guter Start.
Matt nickte zufrieden. "Also meine Damen, ich finde es schön, dass Sie wieder alle hier sind. Wir waren gestern bei Sarah stehen geblieben und daher würde ich gerne bei Lotte fortfahren."
Er sah Lotte erwartungsvoll an.
Lotte verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wollte nichts sagen. Immer wieder sah sie kurz zu Lucy, zu Sarah, zu Joey. Sie konnte es einfach nicht glauben...
"Wir waren dabei, über unsere Ängste zu sprechen, damit wir sie gemeinsam bekämpfen können. Möchtest du darüber sprechen, Lotte?"
Matt und einige der anderen Frauen sahen sie an.
"Ich hab keine Angst. Also.... höchstens vorm Fliegen." Natürlich hatte Lotte Angst. Sie wusste nicht, wo sie war, im Grunde wusste sie nicht einmal, wer sie war. Sie konnte nichts glauben. Es gab keine Erinnerungen, an denen sie sich orientieren und festhalten konnte. Aber diese Angst schnürte ihr die Kehle zu, wenn sie zu lange darüber nachdachte. Also konzentrierte sie sich auf etwas anderes, etwas, worüber sie reden konnte. Vielleicht würde sie dieses Gespräch sogar ein wenig ablenken. Vielleicht würde es ihr helfen, sich selbst zu verstehen.

Matt nickte und machte eine kurze Notiz. "Dann lass uns doch über das sprechen, was dir beim Fliegen Angst macht." forderte er Lotte auf, fortzufahren.
"Solang ich selber fliege, nichts... Ich hasse es, ausgeliefert zu sein. Einer wildfremden Person die Verantwortung für mein Leben zu geben, ohne auch nur ansatzweise eingreifen zu können." antwortete Lotte nachdenklich.
"Also ist weniger das Vertrauen das Problem, sondern mehr, dass du die Person nicht kennst?"
Lotte nickte. Sie sagte nichts. Wieder stieg in ihr das Gefühl auf, hier falsch zu sein. Dann aber blickte sie wieder in ihre eigenen, leblosen Augen, die ihr aus einem blutverschmierten Gesicht entgegen starrten. Die Ereignisse im Hörsaal wurden für einen kurzen Moment wieder vor ihrem inneren Auge lebendig und jagten Lotte einen Schauer über den Rücken.
"Gibt es noch andere Situationen in deinem Leben, wo das genauso ist?"
Lotte schüttelte den Kopf. Sie hatte Matt nur halb zugehört, sie wollte nur die Erinnerungen loswerden, die ihr keine Ruhe ließen. Ihre ganze Haltung drückte Ablehnung aus.
"Wie bekämpfst du denn deine Flugangst, eventuell können wir ja noch was von dir lernen?"
"Ich hab selbst einen Flugschein gemacht." zwang Lotte sich, gepresst zu antworten.
"Und das hat dir auch geholfen, anderen zu vertrauen, wenn du mit ihnen fliegst?"
"Es hat mir geholfen, der Technik zu vertrauen."
"...aber nicht dem Piloten?"
Eine weiß gekleidete Person verließ das Büro und ging langsam zu Matt.
"Ich weiß, welche Aufgaben ein Pilot hat. Und... wie er ausgebildet wird. Ich muss ja der Person nicht vertrauen, um seinen Fähigkeiten zu trauen..." Lotte sah zu dem Mann, der den Raum betreten hatte. Sie kannte ihn. Denzyl Miller, der alles anbaggerte, was nicht bei drei auf dem Baum saß. Nun ja, zumindest bis... Lotte erinnerte sich an die ausgebaute, rote Scheune, in der Denzyl lebte. Die Geburtstagsfeier, er hatte Prudence geküsst... Seitdem war er angeblich ruhiger geworden. Aber nun war er hier, arbeitete hier. Hatte Lotte sich auch diese Erinnerungen nur eingebildet?

Denzyl beugte sich zu Matt herunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Matt nickte und sah dann zu Lotte. "Der Doktor würde dich gerne mal kurz sprechen, Lotte. Geh doch bitte mit Denzyl mit, ja?"
Lotte runzelte die Stirn. Miller... Arzt? Nie im Leben. Das konnte nicht sein. Trotzdem nickte sie und stand auf. Vermutlich hatte sie ohnehin keine Wahl.
Sie folgte Denzyl über den Flur zu einer großen, doppelflügeligen Tür. Denzyl schloss die Tür auf, ließ Lotte hindurch treten und verschloss sie dann wieder.
Der Gang führte an einigen Bürotüren vorbei. Denzyl blieb vor einem Büro stehen, dass die Beschriftung Stationsarzt trug. Auf den Namen des Arztes achtete Lotte nicht.
Alles in ihr sträubte sich dagegen, diesen Raum zu betreten. Trotzdem riss sie sich zusammen, öffnete die Tür und trat ein.

-to be continued -

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Zuletzt geändert von Lotte van der Helden am Mittwoch 5. Juni 2013, 04:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Just me - aus Lottes Leben

Beitragvon Lotte van der Helden » Sonntag 9. Juni 2013, 18:53

Castle of Glass III (Mai/Juni 2013)

Song des Tages (Dust in the Wind von Kansas)

Das Büro war einfach, aber mit hochwertigen Möbeln eingerichtet. Zwei Bücherregale waren mit dutzenden Büchern gefüllt. Auf der Fensterbank und neben den Regalen standen einige gut gepflegte Grünpflanzen. Der Schreibtisch aus dunklem Holz stand mitten im Raum. Er war aufgeräumt, ein großes Glas mit Bonbons zog die Blicke auf sich. Hinter dem Schreibtisch saß der Arzt. Lotte sah ihn an und machte einen Schritt rückwärts, als sie ihn erkannte.
Hinter Lotte in der Tür stand aber immer noch Denzyl. Für einen Moment dachte die Niederländerin daran, Denzyl einfach zur Seite zu schieben. Aber sie fühlte sich kraftlos. Wofür sollte sie sich wehren?

Der Arzt beobachtete Lotte und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. "Setz dich bitte, Lotte." forderte er sie auf. Lotte lief ein Schauer über den Rücken. Die Stimme war ihr vertraut. Sie hatte sie geliebt, aber auch oft gehasst. Lotte erinnerte sich an den ersten Kuss, im Pool in Matts Garten... Ein Garten, den es vermutlich gar nicht gab. Ein Kuss, den es wahrscheinlich ebenfalls nie gegeben hatte.
Fast unmerklich schüttelte Lotte den Kopf. Sie würde sich nicht setzen. Sie würde keine Sekunde länger als nötig in einem Raum mit Ben Snow verbringen.

Ben seufzte leise. "Also Lotte, es geht um Folgendes... Du hattest mich ja letzte Woche gefragt, ob du, natürlich unter Aufsicht, Freigang bekommst."
Lotte atmete tief durch, hörte aber erstmal nur zu. Sie ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslief, und sie spürte in sich eine kalte Wut hochkochen. Sie würde sich ihr Leben nicht von Ben bestimmen lassen. Das hatte sie damals schon gehasst...
"Mir ist bewusst, dass es ein wichtiger Tag für dich ist, aber leider kann ich dir das nicht erlauben."
"Warum?"
"Dein Zustand hat sich in den letzten Tagen drastisch verschlechtert, das kannst du nicht abstreiten. Du schläfst kaum noch. Redest wieder wirres Zeug über irgendwelche geheimen Air Force Projekte und ziehst die anderen Patienten mit in deine Fantasien hinein."
Lotte schnaubte leise. Ihre Gedanken rasten. Im ersten Moment dachte sie daran, dass sie die Geheimhaltung verletzt hatte. Aber das war wohl nicht wichtig... Offensichtlich glaubte ihr hier ohnehin niemand. Sie wusste ja auch selbst nicht, was der Realität entsprach.
"Es tut mir leid. Du kannst jetzt wieder zurück zu den Anderen."
Lotte hörte, dass Denzyl sich hinter ihr bewegte. Vermutlich machte er Platz, damit sie den Raum verlassen konnte. Aber das hatte Lotte nicht vor. Ben hatte sich immer eingebildet, sie zu kennen, sie zu verstehen. Und meistens hatte er gar nichts verstanden. "Je kent me niet. Je hebt geen idee van mijn leven. En je zult me nooit begrijpen." zischte Lotte wütend.
"Es ist keine Lösung, die Schuld auf Andere zu schieben, Lotte." erwiderte Ben ruhig.
Bens Ruhe regte Lotte nur noch mehr auf. Er verstand gar nichts. "Wat moet er nog een oplossing zijn?" Ben tat ja gerade so, als hätte Lotte sich diese Situation ausgesucht. Er tat so, als würde sie freiwillig hier sein, sich freiwillig nicht mehr an ihr Leben erinnern, freiwillig nicht mehr wissen, wer sie war und welche ihrer Erinnerungen stimmten.
Ben schüttelte leicht den Kopf. "Und da fragst du noch warum, wenn du deine Gefühle nicht unter Kontrolle hast?"
"Kus mijn kloten!" Lotte drehte sich um und wollte Denzyl beiseite schieben, der wieder hinter sie getreten war. Denzyl wich jedoch schnell genug aus, also entlud Lotte ihre Wut in einem Tritt gegen die Tür, als sie das Büro des Stationsarztes verließ.

Denzyl folgte ihr, nachdem er die Tür leise geschlossen hatte. Er sah Lotte beinahe traurig an. "Ich glaube ein wenig frische Luft würde dir jetzt gefallen, oder?"
Lotte sah Denzyl an. Es war ihr egal. Ihr war alles egal. Sie konnte ohnehin nicht über ihr Leben bestimmen. "Ihr macht doch eh mit mir, was ihr wollt."
"Also wenn du möchtest, dann lass ich dich jetzt vor den Anderen auf den Hof, dann hast du ihn ganz für dich. Also nur, wenn du das möchtest."
Denzyl sah Lotte weiterhin an. Erst wollte sie ihm eine pampige Antwort geben, aber die schluckte die Niederländerin herunter. Trotz ihrer Wut und Verzweiflung spürte sie, dass Denzyl es gut meinte. Mit einem leichten Nicken bestätigte sie Denzyls Vorschlag.
"Na dann komm." Denzyl lächelte und führte Lotte zu der Tür, die in den runden Innenhof führte. Er schloss die Tür auf und ließ Lotte hinaustreten.
Lotte betrat den Hof und drehte sich zu Denzyl. "Danke." murmelte sie leise und lächelte zögerlich. Es fühlte sich so an, als habe sie diesen Gesichtsausdruck schon lang nicht mehr gezeigt. Aber hier gab es ja auch nichts zu Lächeln... Lotte drehte sich sofort von Denzyl weg und ging ein paar Schritte. Sie wollte nicht, dass jemand ihre Tränen sah. Durch den Schleier, der sich vor ihren Augen bildete, sah sie eine große Wiese, durch die ein Schotterweg zu einem großen Baum in der Mitte des Hofes führte. Im hinteren Bereich schlossen einige Gemüsebeete an. Unter dem Baum stand eine Bank. Die Sonne schien, und die Äste und Zweige des Baumes raschelten im leichten Wind, der seinen Weg in den Innenhof gefunden hatte.

Lotte ging einige Schritte weiter und setzte sich auf die Wiese. Sie zog die Beine an, vergrub den Kopf zwischen den Knien und fuhr mit einer Hand durch das Gras. Sie war immer noch wütend auf Ben, der es so darstellte, als sei es Lottes Entscheidung, hier zu sein und sich nicht mehr selbst zu verstehen. Sie war aber auch wütend auf sich selbst, auf ihren Zustand. Und sie war verzweifelt. Nichts von dem, an das sie sich erinnerte, schien wahr zu sein.
Vom Dach des Gebäudes hörte man metallisches Klappern und dann eine männliche, fluchende Stimme. Lotte ignorierte die Geräusche. Es war ohnehin egal...
Die Tür des Innenhofes öffnete sich mit einem leisen Quietschen, dann hörte man die Schritte von einigen Frauen auf dem Schotterweg. Lotte seufzte. Am liebsten würde sie nun unsichtbar werden. Sie wollte mit niemandem reden, niemanden sehen. Aber bevor sie zu einem Schluss gekommen war, wo sie sich verstecken konnte, tauchte schon Sarah bei ihr auf. Lucy und Joey folgten ihr.
Die drei Frauen setzten sich zu Lotte. Joeys unheimlich leere Blick hatte sich nicht geändert, auch Lucy fummelte immer noch hochkonzentriert an ihrem Ärmel herum, aus dem einige lose Fäden heraushingen.
Lotte versuchte, ihre Tränen zu verbergen und Sarahs Lächeln zu erwidern, doch es gelang ihr nicht. Vom Dach hörte man wieder lautes Scheppern, und Sarah sah nach oben.
"Schau mal wer da ist." Sarah deutete auf einen Mann, der auf dem Dach eine blecherne Abdeckung befestigte.
Lotte sah nun ebenfalls nach oben. Der Mann trug einen blauen Arbeitsoverall und kam Lotte unheimlich bekannt vor. Sie schluckte. War das CJ? Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. CJ war eine Art roter Faden in ihren Erinnerungen, ein Fels, an dem sie sich festgehalten hatte. Ihn dort oben zu sehen, tat unheimlich gut. Aber - "Was macht er da oben?" Lotte war irritiert.
"Etwas reparieren." antwortete Lucy, ohne von ihrem Ärmel aufzusehen.
"Aber... das ist CJ..."
"CJ? Nein, das ist Tom. Der Hausmeister. Wer ist CJ?" Sarah sah Lotte fragend an.
Lottes Blick wurde leer. Sie sah durch Sarah hindurch und krallte die Hand ins Gras. Gab es keinen CJ? Hatte sie sich ihn nur eingebildet? Dann schloss sie die Augen. Das konnte einfach nicht sein... CJ war keine Einbildung. Er musste einfach real sein.
Sarah nahm Lottes Hand. "War CJ nicht dein Mann? Der bei einem Autounfall gestorben ist?" fragte sie vorsichtig.
Lotte zog die Hand beinahe sofort weg. Sie... erinnerte sich. Erinnerte sich an die Polizisten, die vor der Tür ihres Hauses standen, in dem sie mit CJ zusammen gelebt hatte. Erinnerte sich daran, wie sie zusammengebrochen war. Zu guter Letzt hatte sie die Stelle in Stanford verloren und war hier gelandet. In Lotte machte sich eine riesige Leere breit. Sie hatte alles verloren. CJ, ihren Job, ihr Leben. Nichts hatte mehr Bedeutung.
Lotte zog ihre Beine noch näher an sich. Für einen Moment hoffte sie darauf, einfach zu verschwinden, wenn sie sich nur ganz klein machte. Dann spürte sie, dass Sarah einen Arm um sie legte. Auch Lucy und Joey rückten näher heran. Lucy legte eine Hand auf Lottes Bein, aber das konnte der Niederländerin nicht helfen.

Sie hatte verloren.

[Mit Dank an CJ Miller für die epische Story...]
Zuletzt geändert von Lotte van der Helden am Dienstag 24. Dezember 2013, 15:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Just me - aus Lottes Leben

Beitragvon Lotte van der Helden » Dienstag 24. Dezember 2013, 15:19

Another Year Gone (Dezember 2013)

Song des Tages (All I Want for Christmas is New Year's Day von Hurts)

Lotte lehnte sich alles andere als entspannt zurück, während das Flugzeug beschleunigte. Sie hatte einen Fensterplatz, ziemlich weit hinten. Obwohl ihr mehr als mulmig dabei zumute war, zwang sie sich, die Augen geöffnet zu halten. Von ihrem Platz aus konnte sie die linke Tragfläche genau sehen. Sie wusste, dass das leichte Wackeln und Vibrieren der Tragfläche normal war, ja sogar sein musste, damit die Tragfläche nicht einfach abbrach, trotzdem fand Lotte den Anblick beängstigend. Der Vogel war riesig, und diese kleinen Tragflächen... lieber nicht darüber nachdenken. Als das Flugzeug endlich abhob, atmete Lotte aus. Natürlich begann der Steigflug gerade erst, aber das Gerumpel des Fahrwerks hatte ein Ende. Die Überlegung, welche Steigleistung dieses Verkehrsflugzeug wohl schaffte, ließ die Niederländerin sogar kurz schmunzeln. Irgendwie kam es ihr immer noch seltsam vor, sich mit der Fliegerei auszukennen, obwohl sie eine solche Angst davor hatte. Mit einem leisen Rumpeln wurden die Fahrwerke eingeklappt. Das Fluggeräusch veränderte sich dadurch - zwar nur minimal, aber wenn man darauf achtete, fiel es auf. Ganz vorn im Flugzeug stand eine der Stewardessen bereits wieder auf.

Plötzlich neigte sich das Flugzeug zur linken Seite und Lotte konnte geradewegs die Plains unter sich sehen. Sie hielt kurz die Luft an und klammerte sich instinktiv an ihren Armlehnen fest, doch dann wanderte ihr Blick zur Tragfläche und zum Querruder, dass die für eine Linkskurve übliche Stellung zeigte. Es war also alles in Ordnung, das Flugzeug stürzte nicht ab. Beinahe automatisch schoss Lotte der Gedanke durch den Kopf, dass der Auftrieb in Schräglage vermindert war und also eine Korrektur über das Höhenruder erfolgen musste - nun musste Lotte wirklich grinsen. Sie musste dringend wieder fliegen. Aber sie musste so viele Dinge dringend wieder machen. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihr ein guter Teil des letzten Jahres gestohlen worden war. Eine gar nicht so falsche Umschreibung, aber in anderen Momenten hatte sie den Eindruck, dass ihr Leben vor den Ereignissen ein völlig anderes gewesen war. Sie hatte das Gefühl, in einem Alptraum gefangen zu sein, der immer noch andauerte, ein Jahr, das niemals endete, dass sie niemals loslassen würde. Aber nun war sie auf dem Weg nach Hause. Zwar hatte sie Bedenken, was den Umgang mit ihrer Familie betraf - es gefiel ihr nicht, die geliebten Menschen anlügen zu müssen - aber sie freute sich auch riesig darauf, ein ruhiges und normales Familienweihnachten zu verbringen. Sie würde mit ihrer Mutter "Der Polarexpress" gucken, es würde viel zu Essen geben, ein paar Spaziergänge am IJsselmeer und sicher auch einen Besuch auf Henks Boot. Glücklicherweise hatten Lottes Eltern ihren Wunsch, dieses Jahr keine große Feier mit allen Verwandten zu veranstalten, ohne viele Nachfragen akzeptiert.
Leider würde Lotte Silvester schon nicht mehr in den Niederlanden verbringen. Am 27.12. schon würde der Flieger sie nach Pointe-Noire bringen. Die Planung war ein wenig stressig, aber das war Lotte nur recht.

Während sie aus dem Fenster sah und ihren Gedanken nachhing, hatten die Stewardessen bereits damit begonnen, die Fluggäste mit Getränken zu versorgen. Lotte nahm direkt zwei kleine Flaschen Wasser. Der Flug würde schließlich lang werden, und sie hatte wenig Lust, andauernd nach der nächsten Getränkerunde Ausschau zu halten - vor allem nicht nachts. Vermutlich würde die Niederländerin nicht viel schlafen, was weniger am Flugzeug lag als vielmehr daran, dass sie Angst hatte, einen Alptraum zu haben. Für Beschäftigung hatte sie gesorgt, neben den Seminarunterlagen, die sie erneut durchgehen wollte, hatte sie genug entspannende Lektüre dabei, ebenso Musik. Da inzwischen die Reiseflughöhe erreicht war, kramte Lotte in ihrem Rucksack nach dem MP3-Player. Dabei fiel ihr das kleine, längliche Päckchen in die Hand, dass sie vor zwei Tagen tief in ihrem Rucksack vergraben hatte. Seufzend wühlte sie weiter nach dem MP3-Player, behielt aber auch das Päckchen in der Hand. Nachdem sie ihre Musik endlich gefunden, das Kabel der Köpfhörer entheddert und das Gerät aktiviert hatte, betrachtete sie das Päckchen. Sie zögerte noch ein wenig, packte es dann aber kurzentschlossen aus. Als ein Paket Kaugummis zum Vorschein kam, fragte Lotte sich, warum sie darauf bei der Form des Päckchens nicht gekommen war. Aber damit hatte sie nun überhaupt nicht gerechnet. Außerdem war dort ein kleiner Zettel, dessen Inhalt Lotte grinsen ließ. Dennoch knüllte sie den Zettel schnell zusammen, und hätte sie einen Mülleimer in der Nähe gehabt, hätte sie ihn wohl auch weggeworfen. So hatte sie aber Zeit, darüber nachzudenken. Sie entknüllte den Zettel wieder, las ihn noch einmal, faltete ihn klein zusammen und stopfte ihn tief in ihren Rucksack. Die Kaugummis schob sie in das Netz am Vordersitz, dann lehnte sie sich zurück und lauschte der Musik. Die Gedanken an diesen unmöglichen Kerl, daran, ihm eine Mail zu schreiben, wenn sie bei ihren Eltern angekommen war, schob sie von sich weg. Schließlich hatte sie sich ja viel zu blöd angestellt und wollte den Typen auch gar nicht wiedertreffen..
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Re: Just me - aus Lottes Leben

Beitragvon Lotte van der Helden » Freitag 27. Dezember 2013, 17:57

On the Road Again (Dezember 2013)

Song des Tages (Believe von Josh Groban aus Der Polarexpress)

Lotte blinzelte mit müden Augen in die Sonne, als sie den Antonio Agostinho Neto International Airport in Pointe-Noire, Kongo, verließ. Das Gebäude hatte mit seinen großen Glasflächen zwar schon viel des Sonnenlichts hineingelassen, war aber klimatisiert. Die guten 27°C in Verbindung mit der hohen Luftfeuchtigkeit schlugen der Niederländerin beinahe wie eine massive Felswand entgegen und ließen beinahe augenblicklich ein leichtes, schmerzhaftes Dröhnen hinter ihren Augen entstehen. Lotte rieb sich kurz über die Augen und kramte dann, während sie etwas langsamer wurde, in ihrem Rucksack nach der Wasserflasche.
Ihr Begleiter, der sich als Luc vorgestellt hatte und sie auf Flämisch mit leichtem französischen Akzent begrüßt hatte, blieb stehen. "Alles in Ordnung?" fragte er. "Macht dir die Luft zu schaffen?"
"Ja, ein wenig," antwortete Lotte. "Aber geht bald vorbei. Ich möchte nur eben einen Schluck trinken."
"Klar. Wir sind auch gleich beim Taxi. Deine erste afrikanische Autofahrt, ich hoffe, du magst es abenteuerlich," stellte Luc grinsend fest und deutete auf einen geländegängigen Kleinbus, dessen Marke Lotte beim besten Willen nicht erkannte. Vermutlich würde nichteinmal CJ dieses Gefährt identifizieren können, da es vermutlich aus verschiedenen Bauteilen diverser Modelle zusammengestückelt worden war.
"Das passt schon. Solang es nicht fliegt, wird es mir gefallen."
Der Fahrer stand bereits neben dem Auto und half Luc, Lottes Koffer zu verladen. Dann hielt er den beiden Europäern die Tür auf, wartete, bis sie eingestiegen waren und klemmte sich hinter das Lenkrad. Als er den Wagen startete, dudelte laute, afrikanische Musik aus dem Radio, die jedoch sofort leiser gedreht wurde. Für etwa zwei Minuten versuchte Lotte, dem auf Französisch geführten Gespräch zwischen Luc und dem Fahrer zu folgen, doch dann gab sie es auf. Sie war einfach zu müde.

Stattdessen lehnte Lotte ihren Kopf ans Fenster und sah hinaus. Auf den ersten Blick erinnerte die Stadt Lotte an einen mediterranen Urlaubsort. Mit mehr als 700.000 Einwohnern war sie natürlich riesiger als die meisten Urlauberzentren am Mittelmeer es waren, aber der Baustil war ähnlich und auch die Vegetation erinnerte stark an Südfrankreich oder Spanien. Obwohl die meisten anderen Autos ähnlich abenteuerlich aussahen wie ihr Taxi, ging es auf den vollen Straßen einigermaßen gesittet zu. Wenn man von der Hautfarbe der Einwohner absah, erinnerte lediglich ein großer Markt, den das Taxi auf dem Weg zum Hafen passierte, daran, dass das hier Afrika war und keine Stadt am Mittelmeer. Das Gewusel der vielen Menschen, von denen nicht wenige nur sehr ärmlich gekleidet waren, die die Straße teilweise blockierten und an den aus diversen Resten zusammengezimmerten Marktständen lautstark um die besten Preise feilschten, ließen Lotte für einen Moment den Atem anhalten. Zwar fühlte sie sich im Taxi sicher, aber eine solche Menschenmenge war für jemanden, der sich nicht auskannte, immer gefährlich.
Der Markt schien auch den Übergang in die ärmeren Viertel zu markieren. Die Häuser wurden immer kleiner, ärmlicher und dreckiger, bis es schließlich gar keine Häuser mehr gab und die Straße nur noch von Slums gesäumt wurde, in denen dreckige und unterernärhte Kinder spielten. Doch auch dieses Viertel war schnell durchfahren, die Slums wurden durch große Lagerhallen und Industriegebäude verdrängt. Als Lotte nach vorne sah, konnte sie bereits die Hafenanlagen sehen.
Bevor das Taxi den eigentlichen Hafen erreichte, musste es ein Tor mit Sicherheitskontrolle passieren. Lotte versuchte, aufzuschnappen, was der Taxifahrer mit den Polizisten besprach, es wurden jedoch nur ein oder zwei Sätze gewechselt, bevor der Wagen schon weiterrumpeln durfte. Es ging weiter, an Hafenanlagen und Schiffen vorbei, bis das Taxi einen ungeteerten Platz am Rande des Hafens erreichte, auf dem wahllos einige Container herumstanden. Dahinter erhob sich stolz die schneeweiße Africa Mercy, das Schiff, auf dem Lotte die nächsten 14 Tage verbringen würde. Das Taxi stoppte neben einem großen Zelt, das direkt neben dem Aufgang zum Schiff stand. Der Eingang zum Zelt stand weit offen und gab die Sicht auf einen Wartebereich frei.

Lotte streckte sich, so gut es eben ging, und kletterte aus dem Wagen, als der Fahrer ihr die Tür öffnete. Luc hatte bereits wieder ihren Koffer genommen, drückte dem Fahrer einige Geldscheine in die Hand und verabschiedete ihn. Unter den neugierigen Augen der wartenden Patienten führte der Belgier Lotte dann auf das Schiff. "Willkommen auf der Afrika Mercy. Ich bringe dich nun zum Kapitän, damit du dich offiziell als Crewmitglied anmelden kannst. Dann zeige ich dir deine Kabine. Den Rest des Tages hast du noch frei, so wie du aussiehst, wirst du aber wohl erstmal schlafen wollen, oder?"
Lotte nickte. "Ja, zumindest ein wenig. Danach würde ich gern das Schiff kennen lernen," antwortete sie, während sie Luc durch die Gänge folgte.
"Natürlich. Ich zeige dir alles. Reichen dir zwei Stunden? Dann kann ich dich vor dem Abendessen herumführen und dir danach die Freizeitmöglichkeiten zeigen."
"Klar, das hört sich super an. Gibts hier denn so viele Freizeitmöglichkeiten?" fragte Lotte, bereute diese Frage aber gleich wieder. Natürlich gab es die, es musste sie geben. Schließlich lebten hier ganze Familien, teils über mehrere Jahre an Bord, da wurde sicher nicht nur gearbeitet...
"Oh, natürlich." Luc grinste. "Du wirst es sehen. Vermutlich willst du in zwei Wochen gar nicht mehr weg."
Lotte schmunzelte. Daran zweifelte sie schon stark, aber was sie bisher gesehen hatte, gefiel ihr. Vielleicht würde sie wiederkommen. Aber erstmal musste sie überhaupt richtig ankommen.
"So, da wären wir. Ich warte draußen, während ihr die Formalitäten klärt." Luc deutete auf die Tür zum Büro des Kapitäns, die die beiden inzwischen erreicht hatten.
"Danke, Luc. Bis gleich." Lotte klopfte an die Tür und trat ein, als ein lautes "Herein!" ertönte.
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