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"Wächterin der Nacht"

Verfasst: Donnerstag 8. November 2007, 22:08
von Whisky
Ok, da ich beim 'Novemberschreiben' mitmache (weiss nicht obs das in DE auch gibt), und dort auf 25'000 Wörter kommen muss bis Ende Monat, hab ich mal wieder ne Story zu präsentieren.

Arbeitstitel: Wächterin der Nacht

Genre: Mord "Krimi" der anderen Art

Comment-Thread: viewtopic.php?f=17&t=3865&p=26083

FSK: 16 --- FanFic Rating: NC-17

Zum Inhalt:
Emma Carpenter ist tagsüber eine brillierende Anwältin. Eigenständig, klug, aber auch sehr zurückgezogen. In der Nacht, wird sie aber zur Wächterin, zum Racheengel und die meisten ihrer Ex-Mandanten wünschten sich, sie hätten sich einen anderen Anwalt gesucht der sie nochmals raushaut.
Blutig mordend ist Emma Carpenters Nachtleben, bis sie auf David McTigue trifft. Kann der Mann, der seit der Schulzeit weit oben in ihrer Todesliste steht, sie aufhalten?


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Prolog

John Edwards lachte immer, wenn seine Katze auf Mäusejagdt ging. Die Mäuse versuchten es immer wieder ihr zu entkommen, doch Schila, Edwards Katze war jedes Mal schneller. Er verstand nie warum die Mäuse nie dazulernten.
Doch heute war er selbst die Maus. Stinkend nach Schweiss der Angst. Nein nicht Angst – Panik. Blanke Panik.
Er rannte durch die noch regennassen Gassen in der dunklen Nacht, in Richtung der alten Baustelle. Vor seinem Gesicht bildete sich Dampfwölkchen beim ausatmen. Beim einatmen stach jedes Mal ein unsichtbarer Dolch in die Seite und die kalte Luft schmerzte in der Lunge.
Er erreichte das nur halb fertig gestellte Haus, dessen Baugerüst nie abgebaut wurde seit die Baufirma Bankrott ging. Der Maschendrahtzaun klirrte als er ihn ansprang und sich darüber schwang. Auf der anderen Seite landete John auf matschigem Boden und etwas Schlamm spritze ihm auf die Schuhe und Hosenbeine. Er liess sich davon nicht beirren, sondern lief weiter auf das unfertige Haus zu. Wenn er jetzt anhielte, wäre er binnen Sekunden tot. Der Türrahmen in das 5 Stockige Haus war mit einem Stück Holzbrett auf Höhe des Oberkörpers vernagelt. John lief so schnell er konnte auf das Sperrgebiet zu, rammte mit der linken Schulter das Brett und brach es durch.
Das Brett barst mit einem lauten Knacken entzwei und einige Splitter fielen zu Boden. Er merkte erst Sekunden später, dass sich einer der Splitter, ein langer und spitziger, durch seine Lederjacke bis zu seinem Oberarm hindurch bohrte. In seinem momentanen Panikzustand bemerkte er den Schmerz, welcher der Splitter auf seinen Trizeps ausübt, nur weit entfernt und dumpf pochend. In Wircklichkeit stach und kratzte der Splitter bei der kleinsten Bewegung tief in Johns Oberarm. Ein Blutrinnsal floss seinen Arm hinuntern und sein Sweatshir welches er unter der Lederjacke trug, sog sich am rechten Ärmel mit der roten Lebensflüssigkeit voll. John rannte durch das Erdgeschoss des Hauses, welches noch eine totale Baustelle war. Blut tröpfelte auf den schmutzigen und staubigen Betonboden. John bemerkte dies nicht. Auch nicht, als er über einen rostigen Eimer stolperte und mit dem Gleichgewicht ringend gezwungenermassen auf den Boden um sich blicken musste. Durch die noch fehlende Fassadenstücke in den oberen Stockwerken des Hauses drang spährlich das Licht der Strassenlampe und der blasse Vollmondschein ein. Im düsteren Zwielicht wirbelte John herum, als er den Maschendrahtzaun, welcher zur Absperrung der Baustelle diente, in der Nähe klirren hörte. Die glaslosen Fenster in der Fassade waren ohne grosse Sorgfalt mit Brettern zugesperrt. Durch einen handbreiten Spalt zwischen zwei der Bretter konnte er erkennen, wie sich draussen in der Dunkelheit ein Schatten vom Zaun auf das Haus zu bewegte. Der Schatten schlenderte gelassen vorwärts, als hätte er alle Zeit der Welt. John drehte sich hastig um und er erkannte mit Schrecken, waru sich der Schatten dort draussen so viel Zeit nehmen konnte.
Das spärliche Licht schien auf eine Wand. Eine kalte, nackte Wand aus 50cm dickem Beton. Keine mit Bretter abgesperrten Türen oder Fenster – Nur diese graue, feste Mischung aus Zement, Sand und Kies.
Der einzige mögliche Fluchtweg von der Schattengestalt weg, war die Treppe in den zweiten Stock. John hastete die noch provisorisch gebaute Treppe hoch, welche unter seinem Gewichte bei jeder Stufe knarrte. Auf dem ersten Stock war bisher nur der Boden schon fertig. Die Wände waren wie im Erdgeschoss ganz durchgezogen, ohne Fluchtmöglichkeit (abgesehen von der Richtung, aus der John herkam und die Schattengestalt nur auf ihn wartete). Er hastete eine weitere Treppe hoch ins zweite Stockwerk. Oben kam er mit lautem Gepolter und keuchend vor Anstrengung an. Langsam machte sich die gesamte Fluchtaktion bei ihm bemerkbar. Er war erschöpft. Er war schon Müde, als er aus dem Pub kam. Er verliess das ‚Valentines’ kurz nach 12 Uhr. Kaum war er ein paar Schritte gegangen, flog ein Meser knapp an siner Nase vorbei und prallte an der Hauswand links von ihm ab. Er erschrak fast zu Tode und rannte so schnell er konnte davon. Dabei bog er in mehrere dunkle Gassen ab. Als er nach einigem Abbiegen anhielt, dachte er zeurst, er wäre einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Bei seiner Verschnaufpause hörte er jedoch Schritte in der Nähe und als er sich umdrehte, da sah er zum ersten Mal die in dunkle Kleidung gehüllte Schattengestalt die in der Dunkelheit auf ihn zukam. Er lief weiter, doch jedes Mal wenn er sich umdrehte sah er, wie die Schattengestalt ihm dicht auf den Fersen war oder gerade um eine Ecke in seine Richtung bog. Da merkte er, dass er offensichtlicht verfolgt wurde und sich sein Verfolger nicht so leicht abschütteln liess. Schlussendlich, nach einer Verfolgungsjagd die ihm wie Stunden vorkam, kam er zu der Baustelle wo er nun auf der obersten Etage in der kalten Novembernacht stand.
John hörte, wie die Schattengestalt das Brett, welches wohl noch nicht ganz abgefallen war, bei der Eingangstür des Hauses beiseite schob. John sass wie eine Maus in der Falle. Er suchte sich verzweifelt und schwer atmend nach einem Fluchtweg oder einer Waffe um. Das Einzige gebrauchbare was er auf die Schnelle fand, war eine verrostete Eisenstange. Sie war achtlos von der ehemaligen Baufirma hier oben liegen gelassen. Hier auf dem zweiten Stockwerk, welches keine Bedachung hatte und somit Wind und Wetter ausgeliefert war. Er nahm die Eisenstarnge auf. Sie war etwas schwerer als er gedacht hatte, aber das war ihm gerade Recht in diesem Moment. Je schwerer die Stange war, mit desto mehr Wucht konnte er sie seinem Verfolger über den Kopf ziehen. John war nicht besonders stark oder trainiert. Er hatte einen kleinen Bierbauch von seinen Kneipengängen und hatte, wenn er ganz ehrlich war, ein Fitnessstudio noch nie von innen gesehen. Doch seine Kondition reichte vollkommen aus, um minderjährige Mädchen zu vergewaltigen. Vor knapp zwei Wochen sass er deswegen noch im Gerichtssaal vor Richter Brown. Der Staatsanwalt war ein hartnäckiger Bursche gewesen. Doch seine Anwältin war besser und hatte John noch einmal aus der Affäre ziehen können. Natürlich hatte er es getan und er würde es wieder tun. Er überlegte sich damals im Gerichtssaal sogar noch, ob sein nächstes Mädchen die Tochter des Staatsanwaltes sein könnte. Wenn, dann würde er dies aber erst tun, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen war. Er konnte diesn jungen, unberührten Wesen einfach nicht wiederstehen. Der Gedanke, dass er der erste sein würde, der diesen Mädchen endlich das Gefühl geben konnte, eine Frau zu sein, erregte ihn jedes Mal bis aufs Äusserste. Zudem hatten die heutigen Mädchen schon im zarten Alter von etwa 12 Jahren schon ansehnliche Kurven und eine betörende Oberweite die sie zur Schau stellten. Warum also eine komplizierte Beziehung mit gleichaltrigen eingehen?
Momentan hatte er jedoch nicht die Zeit, solch für ihn schönen Gedanken nachzuhängen. Momentan stand John Edwards in Todesangst auf einem Dachlosen Haus in zweiten Etage. Momentan nagte die kalte Novemberluft an seinen müden Knochen. Momentan stieg eine in schwarz gehüllte, schattenähnliche Gestalt die provisorische Treppe in der ersten Etage eines Hauses hoch, welches wohl nie fertiggestellt werden würde. Ein unbekannter Verfolger, der vermutlich nur das Ziel hatte, John umzubringen, nachdem er ihn vor dem Pub fast die Nase abgehackt hatte.
John stellte sich in einen Toten Winkel beim Treppenabsatz, in der Hoffnung so seinen Verfolger überraschen zu können. John liess es trotz der gefährlichen Situation zu, dass seine Gedanken um die Schattengestalt kreisten. Er fragte sich, wer dieser Unbekannte war. Vielleicht ein Elternteil eines seiner Mädchen? Oder eine der Mädchen selbst, dass sein Geschenk an sie nicht zu würdigen oder verstehen wusste? Oder gar der Staatsanwalt, der seine Niederlage im Gericht nicht verkraften konnte?
John kehrte schlagartig wieder auf den Boden der zweiten Etage des unfertigen Hauses zurück, als er die Schritte auf der Treppe unter sich vernahm. Er spannte jeden einzelnen seiner übermüdeten Muskeln an. Wenn er das überleben würde, so dachte er, dann würde er wohl mehr als einen Tag ziemlich derben Muskelkater haben. Er hörte erneut eine der Treppenstufe ächzen. Das Geräusch der Treppenstufe war nicht so laut wie zuvor bei John selbst (das vermutete er zumindest, doch in seiner momentanen Verfassung konnte er sich das genauso gut auch nur einbilden). Die Schattengestalt war demzufolge also leichter als er, oder sie wusste sich zu bewegen. Es knarrte erneut und John war sich sicher, dass beim nächsten Geräusch der Treppe auch der Kopf seines Verfolgers am Absatz sichtbar werden würde.
Doch es kam kein weiteres ächzen der Holzstufen mehr. Verwirrt liess John die plötzliche Stille auf sich wirken. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Sekunden nichts mehr zu hören war, ausser dem Novemberwind der sanft um seine Ohren säuselte. Für einen Moment überlegte er, ob er sich das Alles nur eingebildet haben könnte. Seine menschliche Neugierde (und natürlich auch seine menschliche Dummheit) veranlassten ihn, sich leicht nach vorne zu beugen um einen Überblick über die Lage zu gewinnen. Es war ein Fehler. Vermutlich sein grösster und auch letzter Fehler den er je begehen würde. In dem Augenblick in dem er sich bewegte, schoss eine stählerne Klinge neben seinem rechten Fuss durch den verwitterten Holzboden. Die Klinge riss Johns rechtes Hosenbein auf und er stiess einen spritzen Schrei aus, der für einen Mann wie ihn sehr ungewöhnlich war.
Er hechtete zur Seite weg, die Eisenstange noch immer fest umklammert. John landete auf der rechten Körperseite. Er merkte durch den Schock gar nicht, dass er sich die Schulter geprellt hatte. Der Boden des Stockwerks war durch den kürzlichen Regen noch etwas nass, sodass John noch ein, zwei Meter über den Boden schlitterte. Für den ersten Augenblick war John etwas benommen und orientierungslos, er musste zuerst alles wieder ordnen. Dann sah er den dunklen Umhang nicht weit entfernt von sich flattern und setzte sich schlagartig auf. Da sah er die Schattengestalt zum ersten Mal in voller Grösse und aus der Nähe. Da John noch immer auf dem Boden kauerte, sah die Gestalt riesig und bedrohlich aus. Schwarze Stiefel, schwarze Hosen, schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Handschuhe und ein Schwarzer Umhang mit Kapuze. Dazu wurde noch ein schwarzes Tuch (oder womöglich auch ein Schal) um die untere hälfte der Gesichtspartie gebunden. Kurzum, ausser den stechend grünen Augen war nichts ausser Schwarz und ein bisschen blasser Haut zu sehen, die im Schatten der Kapuze grau erschien. Der Gesamteindruck war Grauen erregend. Doch das schlimmste an diesem Anblick war die aus dem Ärmel ragende, im Zwielicht leicht blitzende Klinge. Sie war eine Elle lang und schien wie ein Schwert aus dem Arm der Schattengestalt zu ragen.
John war für einen Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt und die dunkle Gestalt vor ihm machte auch keinen Wank, sondern starrte nur zu ihm hinunter.
Augenblicklich später (John konnte nicht beurteilen, ob dies nun etwas mit Mut, Adrenalin oder einfach nur blanker Todesangst zu tun hatte) riss er sich aus seiner halb sitzenden Position auf die Füsse und schwang dabei die Metallstange wuchtig in die Richtung der Schattengestalt. Es klirrte Metall auf Metall und einen Moment später spürte John, wie ihm die Eisenstange aus den Fingern glitt. Kurz darauf das Scheppern von schwerem Eisenmetall auf Holzboden. John hatte kein Raumzeitgefühl mehr. John hatte eigentlich gar nichts mehr, ausser seiner Todesangst die momentan sein Handeln übernahm. Die Schattengestalt hatte mit ihrer Klinge den Schlag der Eisenstange abgewehrt und sie ihm mit einer kreisenden Bewegung aus der Hand geschlagen. John überliess seinem Urinstinkt, nämlich der Todesangst, die gesamte Kontrolle über seinen Körper. Es kam ihm vor, als würde er aus einer weit entfernten Welt zuschauen. Einer Welt, die mit Wattebällchen zugepolstert war und alle Geräusche dämpften. Eine Welt, die nur in Zeitlupe ablief. Er sah zu, wie seine rechte Hand sich zu einer Faust ballte, ausholte und im nächsten Augenblick auf das vermummte Gesicht zusteuerte.
John sah der Gestalt dabei in die Augen. Die stechend grünen Augen sahen zurück in die seinen und liessen auch nicht mehr von ihm ab. Auch nicht, als Johns Faust eine handbreit vor ihnen auf Nasenhöhe zum stehen kam. Über seine eigenen Knöchel hinweg konnte er sehen, wie die Augen mit dem grünen Schimmer darin böse zu ihm herüberfunkelten. Ein leichter Schmerz durchzuckte seinen Arm. John dachte zuerst, die Klinge hätte seinen Arm durchbohrt und er spüre den Schmerz nur entfernt. Sowie er auch nur den Splitter in seinem Trizeps weit entfernt spürte. Doch die Klinge war verschwunden. Der Schmerz in seinem Arm wurde allein durch den starken Griff um sein Handgelenk ausgelöst. Ein Griff von einer Hand, die etwas kleiner als seine eigene war. Etwas kleiner und auch schmaler, fast schon zierlich mit schwarzem Leder umhüllt. Sein Blick wanderte von der Hand an seinem Gelenk wieder über die Knöchel, welche sich nun leicht zitternd bewegten, zu den grünen Augen zurück. Sie hatte zu keiner Zeit von ihm abgelassen und blitzen nun erneut. Der Griff um sein Handgelenk änderte sich, doch Johns Blick liess nicht ab von den klaren grünen Augen. Nun wurde ihr Blickkontakt aber gezwungenermassen durch die blutige Klinge unterbrochen, die in rasantem Tempo nach oben schnellte. Zuvor war die Klinge noch makellos sauber gewesen. Eventuell mit einem Rostkratzer von der Eisenstange versehen, aber mehr nicht. Nun aber war die Klinge voll frischem Blut, welches im Mondschein dunkelrot und glänzend das Metall hinunterlief. Ein höllischer Schmerz durchzuckte John plötzlich. Automatisch riss er seinen rechten Arm zurück und taumelte einen ganzen Schritt zurück. Einen Schritt näher an den Rand des zweiten Stockwerkes hin. Weiterhin spürte er einen grässlichen und lang anhaltenden Schmerz. Sein rechter Arm zuckte unwillkürlich. Der Schmerz schien zwischen seinem Herzen und der rechten Hand hin und her zu rasen. Pochend, pumpend, immerzu hin und her durch seinen Arm hindurch. John schaffte es seinen zuckenden Arm soweit unter Kontrolle zu bringen, dass er ihn unter heftigem Zittern etwas in die Höhe heben konnte. Da sah er es, das was den Schmerz verursachte. Beziehungsweise, er sah eben gerade nichts mehr. Dort wo früher sein Kleiner-, Ring- und Mittelfinger war, waren nun nur noch die Stummel davon übrig, aus denen kleine Blutfontänen spritzen. Seine drei Fingern lagen auf dem Holzboden verteilt, an seinem Ringfinger steckte noch immer sein Siegelring aus Onyxgestein.
Ein keuchender Laut entfuhr Johns Kehle, ehe er an gerade eben dieser gepackt und zwei Schritte rückwärts gedrängt wurde. Er spürte wie er mit der linken Ferse über den Abgrund trat. Die Schattengestalt hatte sich ihm so schnell genähert während er seine Hand betrachtet hatte, dass er gar nicht wusste wie ihm geschah, bis er nun mit einer Ferse in der Luft und mir hohlem Kreuz nach hinten gebeugt dastand. Er wirbelte mit den Armen. Aus seiner rechten Hand spritzte Blut und verteilte sich überall in der Näheren Umgebung. Mit der linken schnappte er nach der Hand, die ihm auf die Kehle drückte, konnte sie aber nicht entfernen. John entfloh ein leises würgen. Die Schattengestalt hob ihren rechten Arm langsam und mit geballter Faust nach oben. Die Klinge war erneut verschwunden, doch nun tropfte Blut von der mit schwarzem Leder umhüllten Faust.
Ein erneuter Würgelaut von John war zu hören und die Schattengestalt lockerte ihren Griff um den Hals etwas, sodass er sprechen konnte.
„Bitte… nicht…“, brachte er leise krächzend heraus. Er sah wieder in die tiefgrünen Augen der Schattengestalt.
„Das haben Ihre Mädchen doch sicher auch alle zu Ihnen gesagt?“, ertönte die durch den Schal gedämpfte Stimme der Schattengestalt.
John sah sie nun erstaunt und mit grossen Augen an. Nicht nur über den Inhalt des Satzes wunderte er sich, sondern auch über die Tonlage. Obwohl die Stimme gedämpft war, konnte er klar und deutlich eine angenehme, nicht allzu hohe Frauenstimme erkennen.
„Betty… Clara… Susan... und wie sie alle hiessen…“, fügte die Schattengestalt hinzu. Johns Augen weiteten sich noch mehr. Die Stimme passte zu den schmalen Händen, der leichten Gangart, den grünen Augen. Aber vor allem kannte er diese Stimme. Es schien ihm wie ein Déjà-vu.
"Wer...", fragte John mit leiser und zittriger Stimme. Die Schattengestalt entspannte ihre rechte Faust und führte sie zur ihrem Gesicht. Langsam zog sie den Schal bis unter ihr Kinn. Johns Augen weiteten sich vor Erkenntnis. Er wusste nicht was erstaunlicher war:
Dass diese Frau, die ihn vor ein paar Stunden noch besucht hatte, die ihn über mehrere Wochen hinweg auf juristischer Ebene begleitete hatte, nun seinen Tod wollte, oder dass diese eigentlich zierlich erscheinende Frau in der Lage gewesen ist, ihn so überrumpeln zu können, dass es ihr tatsächlich gelingen könnte ihn zu töten.
Nun wurde ihm einiges klar. Sie war vor wenigen Stunden noch bei ihm. Er hatte ihr erzählt, dass er heute Abend ins Valentines gehen würde. Er hatte sie sogar noch eingeladen. Ihre Augen verrieten alles, es war alles genau geplant. Sie wollte ihn vor dem Valentine's gar nicht treffen, sie wollten ihn hier haben. Vermutlich hätte sie auch noch ein weisses Kreuz an seinem jetzigen Standort machen können.
John hatte aufgehört mit den Armen zu wedeln. Sein rechter Arm baumelte schwach nach unten, während permanent Blut aus seinen Fingerstummeln gepumpt wurde. Es hatte sich inzwischen eine ansehnliche Blutpfütze gebildet, die auch die Hausmauer hinunter rann. Seine Linke umklammerte nur noch schwach die Hand welche einen festen Druck auf seine Luftröhre am Hals ausübte.
"Warum...", setzte John leise krächzend an, konnte den Satz aber nicht beenden. Er würde den Satz nie beenden können, da in diesem Moment die Klinge unter dem Mantel des rechten Armes seiner Gegenüber hervorschnellte und seinen Brustkorb durchbohrte.
Ein röchelnder Laut drang aus Johns Kehle und seine Augen quollen aus den Höhlen. Blut lief über seinen Brustkorb, Rücken und das Stück der Klinge welches noch aus seinem Körper ragte.
Die Schattengestalt riss ihren Klingenarm zurück. Johns Körper ruckte unter dieser kräftigen Bewegung, während er seinen letzten Atemzug tat. Seine Augen wurden leer und kalt, sein Körper schwankte, ehe er rücklings zusammensackte und vom Gebäude fiel.

Die Schattengestalt zog mit der linken, sauberen Hand ein weises Tuch unter dem Umhang hervor. Als sie mit diesem über die Klinge glitt, färbte sich das Tuch sofort rot. Dieser Vorgang wiederholte sich mit fünf weiteren Tüchern, mit denen sie auch Handschuhe und Fussohlen reinigte. Die Tücher achtlos auf den Boden geworfen, zog die Schattengestalt den Schal wieder über die untere Gesichtshälfte, raffte den Umhang und verschwand...

Re: "Wächterin der Nacht"

Verfasst: Samstag 17. November 2007, 22:33
von Whisky
Kapitel 1 – Alltag

Die Fahrstuhltüren glitten auseinander. Fünf Paar Schuhe trampelten in den viersten Stock des George Cummingworth Gebäudes. Zwei Paar Lackschuhe, zwei Paar Stöckelschuhe und ein Paar schwarze Sneakers.
Die Gruppe stob nach kurzer Zeit auseinander. Die Leute verschwanden mit Akten unter den Armen in verschiedene Büros.
Emma Carpenter liess die Akten auf ihren Schreibtisch knallen. Es war acht Uhr morgends in der Stadt der Engel und in der Anwaltskanzlei ‚Balder & Clark’ ging der Alltagsbetrieb erst los. Die Büros füllten sich allmählich mit Anwälten, während deren Sekretärinnen schon seit einer Stunde durch die Gänge huschten. Emma hatte noch nie das Bedürfnis nach einer Sekretärin verspürt, die ihr Akten nachträgt und diese fein säuberlich auf dem Tisch verteilt.
Emma war eine selbständige Frau, die mit ihren 32 Jahren alles hatte, was sie brauchte. Einen guten Job, eine ansehnliche Statur und ihren acht-Uhr-morgends-Kaffe von Starbucks. Emma hängte ihren Mantel an die Garderobe, nahm den warmen Pappbecher in die rechte Hand und schlug die Zeitung auf, die zuoberst auf dem Schreibtisch über dem kleinen Stapel Akten lag. Sie nahm einen Schluck des heissen Kaffees während sie di Titelseite rasch überflog. Sie blätterte gerade um, als hinter ihr eine tiefe Stimme erklang.
„Schöne Schuhe“, meinte eine raue, von den Jahren als Kettenraucher geprägte Stimme.
Emma drehte sich um, wobei ihre schulterlangen, schwarz gelockten Haare locker mitflogen. In der Tür stand ein in Anzug und Schlips gekleiderter Mann, dessen Haare sich vom Alter schon anfingen grau zu färben und begutachtete ihren schwarzen Sneakers.
„Kleider machen Leute“, sagte Emma mit einem verschmitzten Lächeln und musterte den Massgeschneiderten Anzug des Staatsanwaltes auffällig.
„Und ich will doch keinen falschen Eindruck vermitteln, Mr Ashcroft.“
„Kleider mache Leute…“, murmelte Ted Ashcroft nachdenklich.
„Gottfried Keller“, erklärte Emma knapp.
„Ah, haben Sie das Genre gewechselt?“
Emma ging nicht auf die Frage ein, sonder meinte nur weiterhin schmunzelnd: „Und ihr Tageszitat?“
„Zeitung schon gelesen?“
Emma sag gespielt verwundert drein. „Das soll ein Zitat sein? Von wem?“
„Von mir selbst, das frage ich Sie jeden Morgen“
Juristisch gesehen war Ted Ashcroft Emmas grösster Feind. Jedoch wusste sie nicht, ob sie ohne Teds allmorgendlichen Smalltalk überhaupt arbeiten konnte.
„Steht überhaupt etwas lesenswertes drin?“, fragte Emma um auf Teds vorhergehende Frage zu antworten.
„Ja, Sie, Seite vier rechts unten“, antwortete Ted mit der Andeutung eines Lächelns.
Hätte Emma ihn nicht schon seit Jahren gekannt, hätte sie das Zucken seiner Mundwinkel wohl anders gedeutet.
Sie drehte isch wieder zu ihrem Schreibtisch um, worauf die Zeitung lag. Eigentlich wusste sie schon, was sie lesen würde, blätterte dennoch auf Seite vier um bei Ted keinen Verdacht zu wecken. Ihre grünen Augen, die hinter den Gläsern ihrer schmalen Brille versteckt waren, huschten über die Zeilen.

Erneut gab es in L.A. einen Mord, der auf die ‚Wächter’-Serie hindeutet. Die Mordwaffe scheint dieselbe Klinge zu sein, die schon bei den letztlich berichteten Morden benutzt wurde. Auch hatte John Edwards wie seine vorherigen Opfer keine reine Weste. Noch zwei Wochen zuvor war Mr Edwards wegen Kindesvergewaltigung angeklagt. Auch er war wie einige seiner Vorgänger in einem Gerichtsverfahren mit dem Staatsanwalt Ted Ashcroft und Emma Carpenter der Anwaltskanzlei ‚Balder & Clark’ verwickelt.
Die Polizei hat zum jetzigen Zeitpunk noch keine weiteren Informationen anzubringen.


Emma drehte sich wieder zu Ted um, der sich inzwischen an den Türrahmen gelehnt hatte.
„Irgendwie ziehen unsere Klienten immer die Arschkarte“, meinte Ted und fummelte dabei an seiner Krawatte herum. In der Öffentlichkeit hätte er so was nie gesagt. Normalerweise sprach Ted sehr geschwollen und seinem Beruf als Staatsanwalt mehr als nur würdig. Wörter wie ‚Arschkarte’ nahm er nur in Emmas Gegenwart in den Mund.
„Jaah, entweder landen sie wegen Ihnen im Bau oder werden umgebracht“, erwiderte Emma seufzend.
Insgeheim grinste Emma breit. Es war ihr Werk. Alle diese Todesanzeigen waren ihr Werk gewesen und sie war stolz darauf. Stolz, die Welt etwas gesäubert und verbessert zu haben.
„Ich hoffe, dass dies nicht allzu viele unserer potentiellen Klienten lesen. Ansonsten sind wir beide wohl bald arbeitslos.“
Nach einer kurzen Pause, in der sich Emma auf die Kante ihres Schreibtisches gesetzt hatte, fuhr Ted fort: „Naja, wie dem auch sei… Haben Sie schon gehört dass morgen dieser Neue kommt? Dieser Mc-Dingsda…“
„Mc-Dingsda?“, fragte Emma desinteressiert, während sie einige Akten auf ihrem Schreibtisch zu Recht büschelte. Sie war sich sicher, dass Ted den korrekten Namen wusste, wenn nicht gar den kompletten Lebenslauf des neuen Anwaltes. Er wollte Emma nur auf die Probe stellen. Er tat so, als würde er wirklich angestrengt nachdenken. Er war sagenhaft darin den Leuten etwas vorzuspielen, vor allem im Gerichtssaal. Er kniff die Augen zusammen, welche schon von kleinen Falten umspielt wurden. Er schaute zur Decke und sprach dann langsam den Namen aus: „David McTigue“
Emma riss den Kopf hoch und drehte sich ruckartig zu Ted hin, wobei ihr fast der Starbucks Becher aus der Hand fiel.
„W-Wie bitte?“, fragte Emma mit ungläubigem Blick. Ihre Verwunderung war diesmal nicht gespielt.
„McTigue“, wiederholte Ted und sah nun wieder zu Emma hin. Seine Augen funkelten. Er hatte erreicht was er wollte: Emmas ungeteilte Aufmerksamkeit. Grinsend zog er eine Augenbraue hoch.
„Alte Jugendliebe?“
Emma blickte für einen Moment nur verdattert in die Welt, als hätte ihr gerade jemand gesagt, dass sie den Millionen Jackpot im Lotto gewonnen hätte.
Sie schüttelte kurz energisch den Kopf, als wollte sie ihren Gesichtsausdruck und ihre Gedanken loswerden.
„Äh, nein… nein, ich war nur mit ihm in der Schule… glaube ich zumindest“
„Ja, ich weiss. High School, er war Defense Spieler beim Football“
Ted hatte also wirklich McTigues Lebenslauf auswendig gelernt und mit dem von Emma verglichen. Sie war immer wieder erstaunt, wie viel sich dieser Mann merken konnte, obwohl sie selbst auch über diese Gabe verfügte.
„Ich habe ein bisschen recherchiert…“, fuhr Ted entschuldigend fort, doch Emma hörte ihm schon nicht mehr zu.

Wir schreiben das Jahr 1992. Ein unscheinbares Mädchen von etwa 17 Jahren huscht über den Schulhofplatz der Emmerson High. Die Sonne schien heiss, an diesem Juli Nachmittag, sodass die Luft flimmerte.
Das Mädchen trug ausgelatschte Sandalen, einen alten, abgetragenen Jupe der ihr bis über die Knie reichte und eine genauso alte, viel zu grosse weisse Bluse, die von zu vielen Waschgängen matt und grau wirkte.
Die 17 jährige Emma Jane Carpenter ging mit hastigen Schritten in Richtung der Sportwiese. Immer wieder blickte sie sich unsicher um, bis sie schliesslich unter dem Schatten von zwei alten Eichen nahe dem Sportplatz anhielt. Auf der Wiese war eine kleine Gruppe von Studenten versammelt. Sie trugen Footballhelme und passten sich gegenseitig ein Leder-Ei zu. Emma liess sich auf den grossen Stein nieder, der zwischen den beiden Stämmen der alten Bäume lag. Geschützt von den heissen Sonnenstrahlen schlug die junge Emma ihr Jura Buch auf, welches sie aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. Darin fanden sich unzählige voll gekritzelte Notizblätter, die keinerlei Ordnung aufwiesen. Emma zog ein Blatt unter dem Wirrwarr hervor, worauf erst 5 Zeilen geschrieben wurden. Aus einer kleinen selbst genähten Tasche zauberte sie einen Bleistiftstummel hervor, den sie vor einigen Tagen noch Mariska Harolds abgeluchst hatte, welche ihn wegwerfen wollte. Eine leichte Brise, die nur wenig erfrischend war, trug die Stimmen der Jungs von der Sportwiese zu Emma herüber.
Sie blickte von ihrer Arbeit auf und sah zu den Spielenden hinüber. Einer der Jungen fiel ihr sofort ins Auge. Ein schlaksiger Typ, der eigentlich überhaupt nicht in das Bild eines Football Spielers passte. Unter seinem Helm versteckten sich, wie Emma genau wusste, ein goldblonder Schopf und klare, blaue Augen.
Emma senkte den Blick sofort wieder, als das Spiel sich in ihre Richtung näherte. Sie blickte einige Male verstohlen hinüber, wagte den Blick aber erst zu heben, als die Jungs sich durch den Spielverlauf wieder in die andere Richtung bewegten.
Dies ging einige Zeit so weiter, bis sich Emmas Notizblatt allmählich füllte und die Jungs auf der Wiese immer energischer spielten.
Als sich das Spiel erneut in Emmas Richtung bewegte, versuchte sie sich voll und ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Doch etwas war diesmal, bei diesem einen Spielzug anders. Die Stimmen waren näher und aufgebracht. Die Jungs schienen zu streiten, Emma wagte es aber nicht, hinüber zu sehen.
Dann ging alles recht schnell. Sie hörte, wie zwischen den energisch diskutierenden Stimmen Leder auf Leder traf. Einer der Jungs kickte den Football ab. Emma hörte jemanden "Achtung" schreien und hätte schwören können, dass die Stimme zu dem Jungen gehörten, unter dessen Helm sich goldblonde Haare und diese wunderschönen, klaren, blauen Augen befanden. Emma wollte aufblicken, als sie auch schon ein surren in der Luft hörte und einen Augenblick später ein Knall von Leder auf Haut. Emma kippte nach hinten vom Stein und sah nur noch Sterne. Die Stimmen und Geräusche um sie herum nahm sie gedämpft war, als wären sie weit entfernt, obwohl die Football innert weniger Sekunden um Emma herumstanden.
"Lebt glaub noch" - "Es ist nur die Altkleidersammlung" - "Wo ist der Ball?"
Dies waren die einzigen Sätze die sie aus dem ganzen Wirrwarr klar heraushören konnte. Emma sah alles leicht verschwommen, ihr Kopf brummte fürchterlich und auf der gesamten linken Gesichtshälfte brannte ein fürchterlicher Schmerz. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie unweit von ihrem Kopf entfernt den ledernen Ball neben dem grossen Stein liegen.
Emma stöhnte leise unter den Schmerzen.
„Na, jetzt ist ihr wohl die Lust am spielen vergangen“, meinte einer der Jungs belustigt. Für die Jungs bestand nun keine Gefahr mehr, das Mädchen lebte noch und würde es nicht wagen zu meckern. Emma setzte sich auf, mit dem Rücken zu einer der alten Eichen.
„Ach, ich denke schon dass sie gerne spielen würde. Nur nicht unbedingt Football“, entgegnete ein anderer Junge. „Ich glaube etwas Matratzensport würde ihr gut tun so wie die aussieht. Hättest es mal nötig, nicht, Schätzchen?“
Bei den letzten Worten legte der Junge seine Hände auf den Stein, auf welchem Emma noch vor kurzem sass und beugte sich weit nach vorne zu ihr hin. Emma drückte ihren Rücken noch weiter zu dem dicken Stamm der alten Eiche hin und hielt den Kopf gesenkt. Ihre schwarzen Haare verdeckten ihr Gesicht grösstenteils.
Die restlichen Jungs der Mannschaft lachten amüsiert.
„Einmal unter die Dusche gestellt und ohne Kleider, dann könnte ich mich eventuell sogar dazu erbarmen“, sprach der Quarterback weiter, während er nach dem Leder-Ei griff. Dabei streifte er absichtlich mit seinem Arm an Emmas Bein entlang. Sie blickte etwas auf und sah sein höhnisches Grinsen. Gebleckte Zähne und ein Funkeln in den Augen zierten das sonst so markante Gesicht des Sportlers. Seine verschwitzen, vom Helm plattgedrückten, braunen Haare klebten ihm an der Stirn. Emmas Augen füllten sich mit Tränen und sie senkte den Blick wieder, in der Hoffnung dass ihre Haare ihr Gesicht ganz verdeckten. Sie redete sich selbst ein, dass ihre Tränen von ihrer schmerzenden Gesichtshälfte herrührten und nicht von der Schmach der gegenwärtigen Situation.
Der Quarterback richtete sich wieder auf und spielte mit dem Football zwischen seinen Händen. Der Rest seiner Mannschaft war fast verstummt. Vereinzelt kicherten noch einer oder zwei ganz leise. Der Quarterback blickte für eine kurze Zeit nachdenklich auf den Football welchen er zwischen seinen Händen drehte. Dann riss er den Kopf keck hoch und schauter wieder zu Emma, suchte vergebens ihren Blick und meinte:
„Wie wär’s gleich nachher in der Umkleide? Dann hätten die Jungs auch noch was und du wärst nicht ganz so wertlos.“
Die ganze Mannschaft grölte laut und ausgelassen.
„Es reicht langsam Eric“, mischte sich nun eine andere Stimme ein, die das Gelächter der Mannschaft übertönte. Emma kannte die Stimme genau, blickte dennoch vorsichtig auf. Es war der schlaksige Junge den sie zuvor beobachtet hatte. Er hatte nun seinen Helm abgenommen und seine Haare darunter waren auch verschwitzt, aber strahlten dennoch in einem schönen blond. Seine blauen Augen funkelten böse zu Eric, dem Quarterback hinüber.
In den Händen hielt er das Jura Buch und einige Papierzettel, welche er vom Boden aufgelesen hatte. Eric wendete sich ihm zu und liess ein herausforderndes „Uuh“ hören.
„Sieh mal einer an, wir haben einen Freiwilligen der meine Arbeit zu gerne übernimmt! Sie hat ja eh schon gefallen an dir gefunden, so wie die dich immer anglotzt. Ich wusste ja schon immer dass du als Frauenschwarm Weichei mehr Talent hast als zum Football spielen“, sprach Eric in herablassenden Ton weiter. Die Wangen des blonden Jungen röteten sich. Es war nicht ganz klar, ob dies aus Wut oder aus Scham geschah. Seine Augen strahlten jedoch ganz deutlich Zorn aus. Tief Luft holend schritt er hastig zu dem Stein hin und knallte Emmas Utensilien die er aufgelesen hatte energisch auf den Stein.
Er stand nun direkt vor Eric und man sah deutlich wie viel grösser und breiter dieser war.
„Jetzt hör mir mal zu: Ich will nichts von dieser Altkleidersammlung“, zischte der blonde Junge gehässig, wobei er in Richtung Emma zeigte, sie aber keines Blickes würdigte.
„Und über meine Football Fähigkeiten hat immer noch der Trainer zu urteilen und nicht du“, fuhr er mit zusammengekniffenen Augen fort und riss Eric mit einer schnellen Handbewegung den Football aus der Hand. „Und jetzt würde ich gerne weitertrainieren.“
Eric verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse und der Rest der Mannschaft war auf einmal mucksmäuschenstill.
„Nun gut Jungs, der Spass ist vorbei, jetzt wird wieder gearbeitet!“, brüllte Eric bestimmt und so laut, als würden seine Jungs über das ganze Spielfeld verteilt stehen und nicht 5m neben ihm.
Der Schwarm von breitschultrigen Spielern setzte sich langsam in Bewegung. Mit ihren Helmen und der Schutzausrüstung erinnerten sie an eine kleine Armee die von einem Quarterback kommandiert wurde.
„Na los ihr Luschen, bewegt euch, los, los!“, hetzte Eric laut und klatsche auffordernd in die Hände. Die Mannschaft joggte nun in raschem Tempo an Eric und dem blonden Jungen vorbei. Eric blickte ihn mit einem selbstsicheren Grinsen auf seinem eckigen Gesicht an. Dann ging er gemächlich wie ein König an dem Jungen vorbei, wobei er ihn absichtlich mit der Schulter anrempelte. Der Junge schwankte leicht, hielt den Football aber weiterhin fest umklammert. Für Eric schien dessen Ehre als Quarterback des Teams wieder hergestellt. Der Junge macht auf dem Absatz kehrt, erneut ohn Emma auch nur eines Blickes zu würdigen und trottete Eric nach.
Emma blieb still weinend allein unter der alten Eiche zurück. Nur das rascheln der Blätter des Baumes und die beleidigenden Zurufe von Eric an sein Team störte den stillen Sommertag. Niemand würde sich zu Emma gesellen, sie fragen was los ist, ihr in ihrem Schmerz tröstend den Arm um die Schulter legen.
Niemand.

Der heisse Sommer war langsam zu Ende gegangen. In einem kleinen Zimmer mit grauen Wänden die kein einziges Bild oder Poster aufwiesen, sass Emma über ein Jahrbuch gebeugt an ihrem Schreibtisch. Auf der fleckigen Matratze des alten Bettes, welches bei der kleinsten Berührung quietschte und ächzte, lag achtlos hingeworfen eine schwarze Robe und ein Hut der Abschlussfeier. Eine Lampe, die jedes Mal flackerte wenn draussen ein Zug vorbeifuhr, warf ein spärliches Licht auf die Hochglanzbilder in dem Jahrbuch.
Emma blätterte eine Seite weiter und überflog die Bilder. Neben dem Jahrbuch lag ein Notizblatt auf welchem einige Namen standen. Nur einer der Namen war schon durchgestrichen und stand recht weit oben: ‚Eric Roberts’.
‚Blacklist’ prangte der Titel über all den Namen. Emma blätterte erneut um. Auf der nächste Seite war ein Bild eines blonden Jungen mit blauen Augen von einem Herzen umrahmt. Emma strich gedankenverloren mit den Fingern über den Bleistiftstrich des Herzens. Dann verzog sie zornig das Gesicht und ballte die Hand welche auf dem Tisch ruhte zu einer Faust. Sie packte den einzigen Kugelschreiber aus dem Stifthalter der ansonsten nur wenige Bleistiftstummel enthielt und drückte die Miene mit einem klicken aus dem Gehäuse. Sie drückte die Spitze fest auf das Papier des Jahrbuches und übermalte heftig die Bleistiftstriche. Nach wenigen Sekunden war von dem Herz nichts mehr zu sehen. Das Bild des blonden Jungen war nun nur noch umrahmt von dunkelblauer Tinte, die nicht mehr erkennen liess was darunter zuvor war.
Emma nahm anschliessend den Bleistiftstummel zur Hand und schrieb knapp unter dem Titel in einer schnörkeligen Schrift einen weiteren Namen auf ihre Liste: David McTigue



„Miss Carpenter?“, fragte eine weit entfernte Stimme sanft.
„Emma?!“
Diesmal war die Stimme lauter, bestimmter, drängender und schaffte es, Emma aus ihren Gedanken zu reissen.
Sie sah auf und fand sich in ihrem ordentlichen Anwaltsbüro wieder. In der Tür stand noch immer der Staatsanwalt und sah sie fragend an. Emma schüttelte den Kopf um wieder klar denken zu können.
„Haben Sie mir überhaupt zugehört?“, fragte der Staatsanwalt mit einem Anflug von Sorge in der verrauchten Stimme.
„Ehm… nein… tut mir leid“, entschuldigte sich Emma immer noch leicht verwirrt.
„Nun, naja, egal“, meinte Ted Ashcroft der Emma trotz all der Jahre die sie sich schon kannten noch nie so durcheinander erlebt hatte.
„Ich lasse Sie dann mal weiterarbeiten“, fügte er hinzu, um die ungewohnte Situation zu beenden und verliess Emmas Büro.

Re: "Wächterin der Nacht"

Verfasst: Montag 26. November 2007, 10:28
von Whisky
Kapitel 2 – [ohne Titel]

Emma machte nach einem langen Arbeitstag um 18.30 die Haustür zu ihrer Wohnung auf. Sie hatte sich heute überhaupt nicht konzentriere können und bekam nichts auf die Reihe. Ihre Gedanken schweiften immer ab in die Vergangenheit. Vor allem zu David McTigue.
Emmas Wohnung war nicht gerade gross. Sie hätte sich eine viel grössere leisten können, war aber zufrieden mit ihren 3 ½ Zimmern.
Sie trat in ihre Wohnung hinein und schloss die Tür hinter sich wieder ab. Ihre Aktentasche und ihren Mantel legte sie auf einen Stuhl neben dem Eingang. Dieser Stuhl stand schon immer dort und wurde nie für etwas anderes gebraucht. Den Plastikbeutel den sie zusätzlich mit sich trug platzierte sie auf dem Küchentresen. Danach ging sie ins Badezimmer. Es war jeden Abend derselbe Alltagstrott:
Heimkommen, Sachen ablegen, Essen in der Küche abstellen, Ohrringe ablegen, Hände waschen, Essen in die Mikrowelle schmeissen.
Heute hatte sich Emma eine Packung Nasi Goreng besorgt. Während dies sich von selbst in der Mikrowelle zubereitete, wechselte Emma erneut das Zimmer. Sie ging in ihr Arbeitszimmer.
Dieses Zimmer erinnerte sehr an ihr altes Zimmer zuhause. Es war recht klein und die Wände waren auch hier in einem einfachen grau – weiss gestrichen. An der einen Wand stand ein Schreibtisch mit einem Computer darauf. Daneben ein Bücherregal mit verschiedenen Büchern und Ordnern. Unordentlich lagen auch etliche Blätter und Briefe auf der Tischfläche verteilt. Einzig der billige Bürostuhl war ordentlich an den Schreibtisch parkiert worden.
Auf der anderen Seite des Raumes war an der Wand ein leeres, weisses Plakat aufgehängt. Daneben fanden sich noch mehrere Karten von verschiedenen Städten und eine Weltkarte. Auf den Karten waren kleine Nummern angegeben. In einer Ecke stand zusätzlich noch ein mannshoher, schmaler Tresor.
Emma ging zu eben diesem und stellte am Zahlenrad die richtige Kombination. Ein Klicken zeigte, dass das Schloss geöffnet wurde. Sie zog die schwere Metalltüre auf. Der Tresor war innen mit fünf Fächern aufgebaut. Zu unterst lagen zusammengefaltet noch mehr Landkarten und eine Karteikartenbox in grösse eines Schuhkartons. Im Fach darüber lagen zwei weitere der Karteikartenboxen und eine UV-Lampe. Das dritte Fach war voll mit mehreren kleinen Schatullen. In den beiden obersten Fächer war schwarze Kleidung zu finden. Ganz zuoberst standen die Schwarzen Schuhe und daneben etwas, das spezielle auffiel. Auf den ersten Blick schien es so etwas wie eine Armschiene zu sein. Wenn man genauer hinschaute erkannte man aber, dass es eine Vorrichtung für an die Elle war. Bei den Fingern vorne war ein kleiner Hebel angebracht.
Emma nahm nun eine der Schatullen aus dem Tresor, der mit dem gestrigen Datum angeschrieben war. Sie öffnete die Schatullen und fand darin einen Siegelring aus Onyxgestein. Es waren die Buchstaben JE darauf eingraviert. Emma drehte den Ring in den Fingern, begutachtete ihn von allen Seiten und roch daran. Er war geprägt vom Geruch ihrer Arbeit. Vom Geruch des Todes.
Die Mikrowelle piepte durch die Wohnung. Behutsam und mit einem teuflischen Lächeln legte Emma den Ring in die Schatulle zurück und diese zurück in den Tresor. Diesen schloss sie erneut zu und ging erneut ihre Hände waschen. Danach wendete sie sich ihrem Abendessen zu.
David McTigue und der Rest ihrer Vergangenheit waren aus ihren Gedanken verbannt.
Die Verwandlung zur Wächterin hatte begonnen.

Nachdem Emma ihr Essen heruntergeschlungen hatte, schnappte sie sich ohne sich um den Abwasch Gedanken zu machen, ihre Aktenmappe und verschwand erneut im Arbeitszimmer. Die Arbeitsmappe knallte sie vorerst auf den überhäuften Schreibtisch. Anschliessend öffnete sie erneut den Tresor und entfernte daraus die UV-Stablampe sowie den Stift der neben dieser lag.
Die Tresortür schloss sie nicht ganz, sondern lehnte sie nur an. Prüfen warf sie einen Blick über die Schulter. Die Vorhänge waren gezogen, wie immer, man konnte von aussen nicht in das Zimmer einsehen.
Nun stellte sich Emma direkt vor das weisse Plakat, knipste die UV-Lampe an und leuchtete damit das Plakat an. In einer kleinen aber sauberen Handschrift wurden Namen auf dem Plakat sichtbar. Sie waren ordentlich untereinander gelistet und über das ganze Plakat erstreckten sich fünf Kolonnen. Viele der Namen waren durchgestrichen, unter anderem auch ‚John Edwards’.
Emma überflog die einzelnen Namen hastig, wobei sie nicht einmal bei ‚David McTigue’ stehenblieb.
Kurz nach der Mitte des Plakates hielt Emma inne und betrachtete den Namen ‚Jilliane Hewson’.
Sie entfernte den Deckel des Stiftes mithilfe ihrer Zähne. Vor fast allen Namen die durchgestrichen waren, fanden sich solche Kreise. Bei den durchgestrichenen ohne Kreise war stattdessen ein Jesuskreuz hinter den Namen gezeichnet worden.
Sie hörte wie ihr Atem schnell an dem Plastikdeckel zwischen ihren Zähnen vorbeirasselte und trat einen Schritt vom Plakat zurück. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln überprüfte sie ihre getane Arbeit, bevor sie die UV Lampe ausmachte, den Deckel wieder auf den Stift montierte und beides wieder zurück in den Tresor legte.
Vorsichtig fing sie nun an, die anderen Wandbehängungen abzunehmen. Sie faltete die Stadtkarte ordentlich zusammen und beschriftete sie mit dem gestrigen Datum in die Ecke. Sie legte in das unterste Fach, zu den andern Karten. Dann zog sie beide Karteikartenboxen aus dem Tresor, und schob mit dem Fuss die Tresortür zu, sodass diese wieder nur am Rahmen anlehnte.
Sie stellte die Karteikartenboxen zu der Aktenmappe auf den Schreibtisch. Nachdem Emma erneut einen prüfenden Blick auf die Vorhänge geworfen hatte, wühlte sie in ihrer Aktenmappe. Heraus zog sie eine neu gekaufte Stadtkarte von Los Angeles. Sorgfältig hängte sie die neue Karte an den Platz, wo sie zuvor die alte Stadtkarte abgehängt hatte. Früher hatte sie zum aufhängen Reisnägel benutzt. Die Löcher in der Wand waren mit der Zeit immer grösser geworden, daher benutzte sie nun diese modernen Knetkleber. Mit diesem Kleber konnten die Karten sehr einfach auf und wieder abgehängt werden, ohne Rückstände an der Wand zu hinterlassen.
Anschliessend ging sie zu den Karteikarten zurück und öffnete beide Boxen. In den Boxen waren Registerkarten die von Handbeschriftet wurden. Sie suchte in der einen Karteibox nach John Edwards. Sie nahm die Registerkarte, sowie alle Fotos und Notizkarten die dahinter eingeordnet waren und beförderte diese in die andere Karteikartenbox. Sie machte die Box, welche nun auch John Edwards beinhaltete wieder zu. Aus der immer noch geöffneten Box suchte sie nun die Registerkarte heraus, welche mit Jillian Hewson beschriftete war. Diesmal nahm sie nur die Fotos heraus. Auf der Rückseite der Polaroidbilder waren Ortschaften, Daten und weitere Notizen aufgeschrieben. Erneut nahm sie den Knetkleber zur Hand und überprüfte die Notizen auf der Rückseite der Bilder. Mit dem Knetkleber formte sie kleine Kügelchen, packte diese auf die Rückseite der Bilder und klebte sie den Ortschaften entsprechend auf die L.A. Karte. Nachdem alle Fotos an ihrem Platz waren, nahm Emma nun die Notizkarten hinter der Registerkarte Jillian Hewson hervor. Es waren weitaus weniger Notizkarten und Fotos als hinter der Registerkarte von John Edwards gewesen waren.
Aus dem Stiftehalter, der nicht nur Bleistiftstummel enthielt wie in ihrer Jugendzeit, nahm sie einen dünnen Filzstift heraus. Anhand der Notizkarten zog sie nun Linien zwischen den Bildern auf der L.A. Karte und schrieb Kurze Stichworte dazu. Für dies Arbeit liess sie sich reichlich Zeit. Nachdem auch diese Arbeit erledig war, verweilte ihr Blick auf einem der aufgeklebten Fotos. Es zeigte den Eingang zu einer Bar namens ‚Indian Underground’, welche hier ganz in der Nähe war. Emma grinste teuflisch und mit einem funkeln in ihren Augen. Ja, heute würde sie in den Ausgang gehen.
Schnell nahm sie alle Fotos wieder von der Stadtkarte ab und sortierte sie mit den Notizkarten zusammen wieder hinter dem Namen Jillian Hewson ein. Die Karte liess sie an der Wand hängen. Sie schloss die Karteibox und legte diese, sowie auch die zweite Box wieder zurück in den Tresor. Sie verweilte vor dem geöffneten Tresor und liess den Blick über die verschiedenen Fächer wandern. Bei den obersten beiden Fächern blieben ihre Augen stehen. Sanft strich sie mit den Fingern über den schwarzen Stoff des Mantels der zusammengefaltet in dem Fach lag. Erneut zeigten sich Emmas makellose Zähne in einem Lächeln.
Heute Abend musste der Mantel im Tresor bleiben, denn heute Abend würde die Wächterin undercover unterwegs sein. Sie schloss den Tresor und ging sich, immer noch mit einem Grinsen, für den Abend richten.

Kurz vor neun Uhr betrat Emma Carpenter das Indian Underground. Doch eigentlich war es nicht Emma, die in die verrauchte Bar tritt in welche laute Rock-Musik lief. Es war die Wächterin, die sich gegen aussen als Emma Carpenter ausgab. Innerhalb von Sekunden entdeckte sie eine blonde Frau anfangs dreissig, die mit drei Freunden an der Bar sass. Die Wächterin setzte sich zuerst einige Zeit alleine an die Bar in die Nähe der Blondine. Nach dem zweiten alkoholfreien Bier das die Wächterin bestellt hatte, verabschiedeten sich zwei der Freunde von der Blondine und verliessen die Bar. Sie blieb mit einem Mann alleine an der Bar sitzen. Dieser hatte sein Bier nach kurzer Zeit aber auch schon ausgetrunken und folgte seinen Freunden aus der Bar hinaus.
Die Wächterin schnappte ihr Glas und ging zu der Blondine hinüber bevor diese ihr eigenes Glas austrinken konnte.
„Hey“, brüllte die Wächterin gegen die laute Musik. „Bist du nicht Jillian? Jillian Hewson?“
Die Wächterin fragte gespielt unsicher, wobei sie genau wusste, wen sie vor sich hatte. Jililan sah sie nur fragend an.
„Ich bin’s, Emma… Emma Carpenter. Abschlussklasse 1992, Emerson High!“
Die Wächterin setzte ein sehr überzeugendes Lächeln auf.
Zuerst runzelte Jillian nur verwirrt die Stirn, doch dann strahlte in ihrem Gesicht Verständnis auf.
„Ahja, klar! Du bist die Alt …“, sie verstummte augenblicklich im Satz, als ihr bewusst wurde was sie gerade sagen wollte.
„Die Altkleidersammlung, genau“, ergänzte die Wächterin gelassen und setzte sich unaufgefordert auf den Barhocker neben Jillian.
„Sorry, ich wollte nicht…“, druckste diese nur leicht verlegen herum.
„Kein Thema. Spitznamen bleiben nun mal besser haften als die richtigen“, sagte die Wächterin grinsend und zwinkerte. Ein Zwinkern, für das einige Jungs Schlange gestanden wären.
„Aber gut siehst du aus“, lobte Jillian sichtlich beeindruckt. „Du hast dich ja total verändert“
Das Lob ging spurlos an der Wächterin vorbei, doch sie behielt ihr gespieltes Lächeln aufrecht. Sie hatte schon einen grossen Teil erreicht was sie sich für heute Abend vorgenommen hatte – sie hatte Jillians Aufmerksamkeit.
„Du aber auch, ich hätte dich fast nicht wiedererkannt“, lügte die Wächterin.
„Was machst du hier? Arbeitest oder wohnst du hier?“, fragte Jillian interessiert und hatte total vergessen, dass sie vor kurzem noch gehen wollte.
„Oh beides. Ich wohne gleich ein paar Strassen weiter und arbeite in einer Kanzlei hier in L.A. Also wenn du mal eine kompetente Anwältin brauchst“, erklärte die Wächterin mit einer einladenden Geste.
Viele weitere Fragen sprudelten regelrecht aus Jillian heraus und es war Mitternacht geworden, als die beiden Frauen sich voneinander verabschiedeten.
Die Wächterin sah Jillian nach, bis diese leicht torkelnd um die nächste Ecke bog.
Anschliessend machte auch sie sich, total nüchtern aber breit grinsend, auf den Nachhauseweg.