"Wächterin der Nacht"
Verfasst: Donnerstag 8. November 2007, 22:08
Ok, da ich beim 'Novemberschreiben' mitmache (weiss nicht obs das in DE auch gibt), und dort auf 25'000 Wörter kommen muss bis Ende Monat, hab ich mal wieder ne Story zu präsentieren.
Arbeitstitel: Wächterin der Nacht
Genre: Mord "Krimi" der anderen Art
Comment-Thread: viewtopic.php?f=17&t=3865&p=26083
FSK: 16 --- FanFic Rating: NC-17
Zum Inhalt:
Emma Carpenter ist tagsüber eine brillierende Anwältin. Eigenständig, klug, aber auch sehr zurückgezogen. In der Nacht, wird sie aber zur Wächterin, zum Racheengel und die meisten ihrer Ex-Mandanten wünschten sich, sie hätten sich einen anderen Anwalt gesucht der sie nochmals raushaut.
Blutig mordend ist Emma Carpenters Nachtleben, bis sie auf David McTigue trifft. Kann der Mann, der seit der Schulzeit weit oben in ihrer Todesliste steht, sie aufhalten?
------------------------
Prolog
John Edwards lachte immer, wenn seine Katze auf Mäusejagdt ging. Die Mäuse versuchten es immer wieder ihr zu entkommen, doch Schila, Edwards Katze war jedes Mal schneller. Er verstand nie warum die Mäuse nie dazulernten.
Doch heute war er selbst die Maus. Stinkend nach Schweiss der Angst. Nein nicht Angst – Panik. Blanke Panik.
Er rannte durch die noch regennassen Gassen in der dunklen Nacht, in Richtung der alten Baustelle. Vor seinem Gesicht bildete sich Dampfwölkchen beim ausatmen. Beim einatmen stach jedes Mal ein unsichtbarer Dolch in die Seite und die kalte Luft schmerzte in der Lunge.
Er erreichte das nur halb fertig gestellte Haus, dessen Baugerüst nie abgebaut wurde seit die Baufirma Bankrott ging. Der Maschendrahtzaun klirrte als er ihn ansprang und sich darüber schwang. Auf der anderen Seite landete John auf matschigem Boden und etwas Schlamm spritze ihm auf die Schuhe und Hosenbeine. Er liess sich davon nicht beirren, sondern lief weiter auf das unfertige Haus zu. Wenn er jetzt anhielte, wäre er binnen Sekunden tot. Der Türrahmen in das 5 Stockige Haus war mit einem Stück Holzbrett auf Höhe des Oberkörpers vernagelt. John lief so schnell er konnte auf das Sperrgebiet zu, rammte mit der linken Schulter das Brett und brach es durch.
Das Brett barst mit einem lauten Knacken entzwei und einige Splitter fielen zu Boden. Er merkte erst Sekunden später, dass sich einer der Splitter, ein langer und spitziger, durch seine Lederjacke bis zu seinem Oberarm hindurch bohrte. In seinem momentanen Panikzustand bemerkte er den Schmerz, welcher der Splitter auf seinen Trizeps ausübt, nur weit entfernt und dumpf pochend. In Wircklichkeit stach und kratzte der Splitter bei der kleinsten Bewegung tief in Johns Oberarm. Ein Blutrinnsal floss seinen Arm hinuntern und sein Sweatshir welches er unter der Lederjacke trug, sog sich am rechten Ärmel mit der roten Lebensflüssigkeit voll. John rannte durch das Erdgeschoss des Hauses, welches noch eine totale Baustelle war. Blut tröpfelte auf den schmutzigen und staubigen Betonboden. John bemerkte dies nicht. Auch nicht, als er über einen rostigen Eimer stolperte und mit dem Gleichgewicht ringend gezwungenermassen auf den Boden um sich blicken musste. Durch die noch fehlende Fassadenstücke in den oberen Stockwerken des Hauses drang spährlich das Licht der Strassenlampe und der blasse Vollmondschein ein. Im düsteren Zwielicht wirbelte John herum, als er den Maschendrahtzaun, welcher zur Absperrung der Baustelle diente, in der Nähe klirren hörte. Die glaslosen Fenster in der Fassade waren ohne grosse Sorgfalt mit Brettern zugesperrt. Durch einen handbreiten Spalt zwischen zwei der Bretter konnte er erkennen, wie sich draussen in der Dunkelheit ein Schatten vom Zaun auf das Haus zu bewegte. Der Schatten schlenderte gelassen vorwärts, als hätte er alle Zeit der Welt. John drehte sich hastig um und er erkannte mit Schrecken, waru sich der Schatten dort draussen so viel Zeit nehmen konnte.
Das spärliche Licht schien auf eine Wand. Eine kalte, nackte Wand aus 50cm dickem Beton. Keine mit Bretter abgesperrten Türen oder Fenster – Nur diese graue, feste Mischung aus Zement, Sand und Kies.
Der einzige mögliche Fluchtweg von der Schattengestalt weg, war die Treppe in den zweiten Stock. John hastete die noch provisorisch gebaute Treppe hoch, welche unter seinem Gewichte bei jeder Stufe knarrte. Auf dem ersten Stock war bisher nur der Boden schon fertig. Die Wände waren wie im Erdgeschoss ganz durchgezogen, ohne Fluchtmöglichkeit (abgesehen von der Richtung, aus der John herkam und die Schattengestalt nur auf ihn wartete). Er hastete eine weitere Treppe hoch ins zweite Stockwerk. Oben kam er mit lautem Gepolter und keuchend vor Anstrengung an. Langsam machte sich die gesamte Fluchtaktion bei ihm bemerkbar. Er war erschöpft. Er war schon Müde, als er aus dem Pub kam. Er verliess das ‚Valentines’ kurz nach 12 Uhr. Kaum war er ein paar Schritte gegangen, flog ein Meser knapp an siner Nase vorbei und prallte an der Hauswand links von ihm ab. Er erschrak fast zu Tode und rannte so schnell er konnte davon. Dabei bog er in mehrere dunkle Gassen ab. Als er nach einigem Abbiegen anhielt, dachte er zeurst, er wäre einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Bei seiner Verschnaufpause hörte er jedoch Schritte in der Nähe und als er sich umdrehte, da sah er zum ersten Mal die in dunkle Kleidung gehüllte Schattengestalt die in der Dunkelheit auf ihn zukam. Er lief weiter, doch jedes Mal wenn er sich umdrehte sah er, wie die Schattengestalt ihm dicht auf den Fersen war oder gerade um eine Ecke in seine Richtung bog. Da merkte er, dass er offensichtlicht verfolgt wurde und sich sein Verfolger nicht so leicht abschütteln liess. Schlussendlich, nach einer Verfolgungsjagd die ihm wie Stunden vorkam, kam er zu der Baustelle wo er nun auf der obersten Etage in der kalten Novembernacht stand.
John hörte, wie die Schattengestalt das Brett, welches wohl noch nicht ganz abgefallen war, bei der Eingangstür des Hauses beiseite schob. John sass wie eine Maus in der Falle. Er suchte sich verzweifelt und schwer atmend nach einem Fluchtweg oder einer Waffe um. Das Einzige gebrauchbare was er auf die Schnelle fand, war eine verrostete Eisenstange. Sie war achtlos von der ehemaligen Baufirma hier oben liegen gelassen. Hier auf dem zweiten Stockwerk, welches keine Bedachung hatte und somit Wind und Wetter ausgeliefert war. Er nahm die Eisenstarnge auf. Sie war etwas schwerer als er gedacht hatte, aber das war ihm gerade Recht in diesem Moment. Je schwerer die Stange war, mit desto mehr Wucht konnte er sie seinem Verfolger über den Kopf ziehen. John war nicht besonders stark oder trainiert. Er hatte einen kleinen Bierbauch von seinen Kneipengängen und hatte, wenn er ganz ehrlich war, ein Fitnessstudio noch nie von innen gesehen. Doch seine Kondition reichte vollkommen aus, um minderjährige Mädchen zu vergewaltigen. Vor knapp zwei Wochen sass er deswegen noch im Gerichtssaal vor Richter Brown. Der Staatsanwalt war ein hartnäckiger Bursche gewesen. Doch seine Anwältin war besser und hatte John noch einmal aus der Affäre ziehen können. Natürlich hatte er es getan und er würde es wieder tun. Er überlegte sich damals im Gerichtssaal sogar noch, ob sein nächstes Mädchen die Tochter des Staatsanwaltes sein könnte. Wenn, dann würde er dies aber erst tun, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen war. Er konnte diesn jungen, unberührten Wesen einfach nicht wiederstehen. Der Gedanke, dass er der erste sein würde, der diesen Mädchen endlich das Gefühl geben konnte, eine Frau zu sein, erregte ihn jedes Mal bis aufs Äusserste. Zudem hatten die heutigen Mädchen schon im zarten Alter von etwa 12 Jahren schon ansehnliche Kurven und eine betörende Oberweite die sie zur Schau stellten. Warum also eine komplizierte Beziehung mit gleichaltrigen eingehen?
Momentan hatte er jedoch nicht die Zeit, solch für ihn schönen Gedanken nachzuhängen. Momentan stand John Edwards in Todesangst auf einem Dachlosen Haus in zweiten Etage. Momentan nagte die kalte Novemberluft an seinen müden Knochen. Momentan stieg eine in schwarz gehüllte, schattenähnliche Gestalt die provisorische Treppe in der ersten Etage eines Hauses hoch, welches wohl nie fertiggestellt werden würde. Ein unbekannter Verfolger, der vermutlich nur das Ziel hatte, John umzubringen, nachdem er ihn vor dem Pub fast die Nase abgehackt hatte.
John stellte sich in einen Toten Winkel beim Treppenabsatz, in der Hoffnung so seinen Verfolger überraschen zu können. John liess es trotz der gefährlichen Situation zu, dass seine Gedanken um die Schattengestalt kreisten. Er fragte sich, wer dieser Unbekannte war. Vielleicht ein Elternteil eines seiner Mädchen? Oder eine der Mädchen selbst, dass sein Geschenk an sie nicht zu würdigen oder verstehen wusste? Oder gar der Staatsanwalt, der seine Niederlage im Gericht nicht verkraften konnte?
John kehrte schlagartig wieder auf den Boden der zweiten Etage des unfertigen Hauses zurück, als er die Schritte auf der Treppe unter sich vernahm. Er spannte jeden einzelnen seiner übermüdeten Muskeln an. Wenn er das überleben würde, so dachte er, dann würde er wohl mehr als einen Tag ziemlich derben Muskelkater haben. Er hörte erneut eine der Treppenstufe ächzen. Das Geräusch der Treppenstufe war nicht so laut wie zuvor bei John selbst (das vermutete er zumindest, doch in seiner momentanen Verfassung konnte er sich das genauso gut auch nur einbilden). Die Schattengestalt war demzufolge also leichter als er, oder sie wusste sich zu bewegen. Es knarrte erneut und John war sich sicher, dass beim nächsten Geräusch der Treppe auch der Kopf seines Verfolgers am Absatz sichtbar werden würde.
Doch es kam kein weiteres ächzen der Holzstufen mehr. Verwirrt liess John die plötzliche Stille auf sich wirken. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Sekunden nichts mehr zu hören war, ausser dem Novemberwind der sanft um seine Ohren säuselte. Für einen Moment überlegte er, ob er sich das Alles nur eingebildet haben könnte. Seine menschliche Neugierde (und natürlich auch seine menschliche Dummheit) veranlassten ihn, sich leicht nach vorne zu beugen um einen Überblick über die Lage zu gewinnen. Es war ein Fehler. Vermutlich sein grösster und auch letzter Fehler den er je begehen würde. In dem Augenblick in dem er sich bewegte, schoss eine stählerne Klinge neben seinem rechten Fuss durch den verwitterten Holzboden. Die Klinge riss Johns rechtes Hosenbein auf und er stiess einen spritzen Schrei aus, der für einen Mann wie ihn sehr ungewöhnlich war.
Er hechtete zur Seite weg, die Eisenstange noch immer fest umklammert. John landete auf der rechten Körperseite. Er merkte durch den Schock gar nicht, dass er sich die Schulter geprellt hatte. Der Boden des Stockwerks war durch den kürzlichen Regen noch etwas nass, sodass John noch ein, zwei Meter über den Boden schlitterte. Für den ersten Augenblick war John etwas benommen und orientierungslos, er musste zuerst alles wieder ordnen. Dann sah er den dunklen Umhang nicht weit entfernt von sich flattern und setzte sich schlagartig auf. Da sah er die Schattengestalt zum ersten Mal in voller Grösse und aus der Nähe. Da John noch immer auf dem Boden kauerte, sah die Gestalt riesig und bedrohlich aus. Schwarze Stiefel, schwarze Hosen, schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Handschuhe und ein Schwarzer Umhang mit Kapuze. Dazu wurde noch ein schwarzes Tuch (oder womöglich auch ein Schal) um die untere hälfte der Gesichtspartie gebunden. Kurzum, ausser den stechend grünen Augen war nichts ausser Schwarz und ein bisschen blasser Haut zu sehen, die im Schatten der Kapuze grau erschien. Der Gesamteindruck war Grauen erregend. Doch das schlimmste an diesem Anblick war die aus dem Ärmel ragende, im Zwielicht leicht blitzende Klinge. Sie war eine Elle lang und schien wie ein Schwert aus dem Arm der Schattengestalt zu ragen.
John war für einen Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt und die dunkle Gestalt vor ihm machte auch keinen Wank, sondern starrte nur zu ihm hinunter.
Augenblicklich später (John konnte nicht beurteilen, ob dies nun etwas mit Mut, Adrenalin oder einfach nur blanker Todesangst zu tun hatte) riss er sich aus seiner halb sitzenden Position auf die Füsse und schwang dabei die Metallstange wuchtig in die Richtung der Schattengestalt. Es klirrte Metall auf Metall und einen Moment später spürte John, wie ihm die Eisenstange aus den Fingern glitt. Kurz darauf das Scheppern von schwerem Eisenmetall auf Holzboden. John hatte kein Raumzeitgefühl mehr. John hatte eigentlich gar nichts mehr, ausser seiner Todesangst die momentan sein Handeln übernahm. Die Schattengestalt hatte mit ihrer Klinge den Schlag der Eisenstange abgewehrt und sie ihm mit einer kreisenden Bewegung aus der Hand geschlagen. John überliess seinem Urinstinkt, nämlich der Todesangst, die gesamte Kontrolle über seinen Körper. Es kam ihm vor, als würde er aus einer weit entfernten Welt zuschauen. Einer Welt, die mit Wattebällchen zugepolstert war und alle Geräusche dämpften. Eine Welt, die nur in Zeitlupe ablief. Er sah zu, wie seine rechte Hand sich zu einer Faust ballte, ausholte und im nächsten Augenblick auf das vermummte Gesicht zusteuerte.
John sah der Gestalt dabei in die Augen. Die stechend grünen Augen sahen zurück in die seinen und liessen auch nicht mehr von ihm ab. Auch nicht, als Johns Faust eine handbreit vor ihnen auf Nasenhöhe zum stehen kam. Über seine eigenen Knöchel hinweg konnte er sehen, wie die Augen mit dem grünen Schimmer darin böse zu ihm herüberfunkelten. Ein leichter Schmerz durchzuckte seinen Arm. John dachte zuerst, die Klinge hätte seinen Arm durchbohrt und er spüre den Schmerz nur entfernt. Sowie er auch nur den Splitter in seinem Trizeps weit entfernt spürte. Doch die Klinge war verschwunden. Der Schmerz in seinem Arm wurde allein durch den starken Griff um sein Handgelenk ausgelöst. Ein Griff von einer Hand, die etwas kleiner als seine eigene war. Etwas kleiner und auch schmaler, fast schon zierlich mit schwarzem Leder umhüllt. Sein Blick wanderte von der Hand an seinem Gelenk wieder über die Knöchel, welche sich nun leicht zitternd bewegten, zu den grünen Augen zurück. Sie hatte zu keiner Zeit von ihm abgelassen und blitzen nun erneut. Der Griff um sein Handgelenk änderte sich, doch Johns Blick liess nicht ab von den klaren grünen Augen. Nun wurde ihr Blickkontakt aber gezwungenermassen durch die blutige Klinge unterbrochen, die in rasantem Tempo nach oben schnellte. Zuvor war die Klinge noch makellos sauber gewesen. Eventuell mit einem Rostkratzer von der Eisenstange versehen, aber mehr nicht. Nun aber war die Klinge voll frischem Blut, welches im Mondschein dunkelrot und glänzend das Metall hinunterlief. Ein höllischer Schmerz durchzuckte John plötzlich. Automatisch riss er seinen rechten Arm zurück und taumelte einen ganzen Schritt zurück. Einen Schritt näher an den Rand des zweiten Stockwerkes hin. Weiterhin spürte er einen grässlichen und lang anhaltenden Schmerz. Sein rechter Arm zuckte unwillkürlich. Der Schmerz schien zwischen seinem Herzen und der rechten Hand hin und her zu rasen. Pochend, pumpend, immerzu hin und her durch seinen Arm hindurch. John schaffte es seinen zuckenden Arm soweit unter Kontrolle zu bringen, dass er ihn unter heftigem Zittern etwas in die Höhe heben konnte. Da sah er es, das was den Schmerz verursachte. Beziehungsweise, er sah eben gerade nichts mehr. Dort wo früher sein Kleiner-, Ring- und Mittelfinger war, waren nun nur noch die Stummel davon übrig, aus denen kleine Blutfontänen spritzen. Seine drei Fingern lagen auf dem Holzboden verteilt, an seinem Ringfinger steckte noch immer sein Siegelring aus Onyxgestein.
Ein keuchender Laut entfuhr Johns Kehle, ehe er an gerade eben dieser gepackt und zwei Schritte rückwärts gedrängt wurde. Er spürte wie er mit der linken Ferse über den Abgrund trat. Die Schattengestalt hatte sich ihm so schnell genähert während er seine Hand betrachtet hatte, dass er gar nicht wusste wie ihm geschah, bis er nun mit einer Ferse in der Luft und mir hohlem Kreuz nach hinten gebeugt dastand. Er wirbelte mit den Armen. Aus seiner rechten Hand spritzte Blut und verteilte sich überall in der Näheren Umgebung. Mit der linken schnappte er nach der Hand, die ihm auf die Kehle drückte, konnte sie aber nicht entfernen. John entfloh ein leises würgen. Die Schattengestalt hob ihren rechten Arm langsam und mit geballter Faust nach oben. Die Klinge war erneut verschwunden, doch nun tropfte Blut von der mit schwarzem Leder umhüllten Faust.
Ein erneuter Würgelaut von John war zu hören und die Schattengestalt lockerte ihren Griff um den Hals etwas, sodass er sprechen konnte.
„Bitte… nicht…“, brachte er leise krächzend heraus. Er sah wieder in die tiefgrünen Augen der Schattengestalt.
„Das haben Ihre Mädchen doch sicher auch alle zu Ihnen gesagt?“, ertönte die durch den Schal gedämpfte Stimme der Schattengestalt.
John sah sie nun erstaunt und mit grossen Augen an. Nicht nur über den Inhalt des Satzes wunderte er sich, sondern auch über die Tonlage. Obwohl die Stimme gedämpft war, konnte er klar und deutlich eine angenehme, nicht allzu hohe Frauenstimme erkennen.
„Betty… Clara… Susan... und wie sie alle hiessen…“, fügte die Schattengestalt hinzu. Johns Augen weiteten sich noch mehr. Die Stimme passte zu den schmalen Händen, der leichten Gangart, den grünen Augen. Aber vor allem kannte er diese Stimme. Es schien ihm wie ein Déjà-vu.
"Wer...", fragte John mit leiser und zittriger Stimme. Die Schattengestalt entspannte ihre rechte Faust und führte sie zur ihrem Gesicht. Langsam zog sie den Schal bis unter ihr Kinn. Johns Augen weiteten sich vor Erkenntnis. Er wusste nicht was erstaunlicher war:
Dass diese Frau, die ihn vor ein paar Stunden noch besucht hatte, die ihn über mehrere Wochen hinweg auf juristischer Ebene begleitete hatte, nun seinen Tod wollte, oder dass diese eigentlich zierlich erscheinende Frau in der Lage gewesen ist, ihn so überrumpeln zu können, dass es ihr tatsächlich gelingen könnte ihn zu töten.
Nun wurde ihm einiges klar. Sie war vor wenigen Stunden noch bei ihm. Er hatte ihr erzählt, dass er heute Abend ins Valentines gehen würde. Er hatte sie sogar noch eingeladen. Ihre Augen verrieten alles, es war alles genau geplant. Sie wollte ihn vor dem Valentine's gar nicht treffen, sie wollten ihn hier haben. Vermutlich hätte sie auch noch ein weisses Kreuz an seinem jetzigen Standort machen können.
John hatte aufgehört mit den Armen zu wedeln. Sein rechter Arm baumelte schwach nach unten, während permanent Blut aus seinen Fingerstummeln gepumpt wurde. Es hatte sich inzwischen eine ansehnliche Blutpfütze gebildet, die auch die Hausmauer hinunter rann. Seine Linke umklammerte nur noch schwach die Hand welche einen festen Druck auf seine Luftröhre am Hals ausübte.
"Warum...", setzte John leise krächzend an, konnte den Satz aber nicht beenden. Er würde den Satz nie beenden können, da in diesem Moment die Klinge unter dem Mantel des rechten Armes seiner Gegenüber hervorschnellte und seinen Brustkorb durchbohrte.
Ein röchelnder Laut drang aus Johns Kehle und seine Augen quollen aus den Höhlen. Blut lief über seinen Brustkorb, Rücken und das Stück der Klinge welches noch aus seinem Körper ragte.
Die Schattengestalt riss ihren Klingenarm zurück. Johns Körper ruckte unter dieser kräftigen Bewegung, während er seinen letzten Atemzug tat. Seine Augen wurden leer und kalt, sein Körper schwankte, ehe er rücklings zusammensackte und vom Gebäude fiel.
Die Schattengestalt zog mit der linken, sauberen Hand ein weises Tuch unter dem Umhang hervor. Als sie mit diesem über die Klinge glitt, färbte sich das Tuch sofort rot. Dieser Vorgang wiederholte sich mit fünf weiteren Tüchern, mit denen sie auch Handschuhe und Fussohlen reinigte. Die Tücher achtlos auf den Boden geworfen, zog die Schattengestalt den Schal wieder über die untere Gesichtshälfte, raffte den Umhang und verschwand...
Arbeitstitel: Wächterin der Nacht
Genre: Mord "Krimi" der anderen Art
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FSK: 16 --- FanFic Rating: NC-17
Zum Inhalt:
Emma Carpenter ist tagsüber eine brillierende Anwältin. Eigenständig, klug, aber auch sehr zurückgezogen. In der Nacht, wird sie aber zur Wächterin, zum Racheengel und die meisten ihrer Ex-Mandanten wünschten sich, sie hätten sich einen anderen Anwalt gesucht der sie nochmals raushaut.
Blutig mordend ist Emma Carpenters Nachtleben, bis sie auf David McTigue trifft. Kann der Mann, der seit der Schulzeit weit oben in ihrer Todesliste steht, sie aufhalten?
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Prolog
John Edwards lachte immer, wenn seine Katze auf Mäusejagdt ging. Die Mäuse versuchten es immer wieder ihr zu entkommen, doch Schila, Edwards Katze war jedes Mal schneller. Er verstand nie warum die Mäuse nie dazulernten.
Doch heute war er selbst die Maus. Stinkend nach Schweiss der Angst. Nein nicht Angst – Panik. Blanke Panik.
Er rannte durch die noch regennassen Gassen in der dunklen Nacht, in Richtung der alten Baustelle. Vor seinem Gesicht bildete sich Dampfwölkchen beim ausatmen. Beim einatmen stach jedes Mal ein unsichtbarer Dolch in die Seite und die kalte Luft schmerzte in der Lunge.
Er erreichte das nur halb fertig gestellte Haus, dessen Baugerüst nie abgebaut wurde seit die Baufirma Bankrott ging. Der Maschendrahtzaun klirrte als er ihn ansprang und sich darüber schwang. Auf der anderen Seite landete John auf matschigem Boden und etwas Schlamm spritze ihm auf die Schuhe und Hosenbeine. Er liess sich davon nicht beirren, sondern lief weiter auf das unfertige Haus zu. Wenn er jetzt anhielte, wäre er binnen Sekunden tot. Der Türrahmen in das 5 Stockige Haus war mit einem Stück Holzbrett auf Höhe des Oberkörpers vernagelt. John lief so schnell er konnte auf das Sperrgebiet zu, rammte mit der linken Schulter das Brett und brach es durch.
Das Brett barst mit einem lauten Knacken entzwei und einige Splitter fielen zu Boden. Er merkte erst Sekunden später, dass sich einer der Splitter, ein langer und spitziger, durch seine Lederjacke bis zu seinem Oberarm hindurch bohrte. In seinem momentanen Panikzustand bemerkte er den Schmerz, welcher der Splitter auf seinen Trizeps ausübt, nur weit entfernt und dumpf pochend. In Wircklichkeit stach und kratzte der Splitter bei der kleinsten Bewegung tief in Johns Oberarm. Ein Blutrinnsal floss seinen Arm hinuntern und sein Sweatshir welches er unter der Lederjacke trug, sog sich am rechten Ärmel mit der roten Lebensflüssigkeit voll. John rannte durch das Erdgeschoss des Hauses, welches noch eine totale Baustelle war. Blut tröpfelte auf den schmutzigen und staubigen Betonboden. John bemerkte dies nicht. Auch nicht, als er über einen rostigen Eimer stolperte und mit dem Gleichgewicht ringend gezwungenermassen auf den Boden um sich blicken musste. Durch die noch fehlende Fassadenstücke in den oberen Stockwerken des Hauses drang spährlich das Licht der Strassenlampe und der blasse Vollmondschein ein. Im düsteren Zwielicht wirbelte John herum, als er den Maschendrahtzaun, welcher zur Absperrung der Baustelle diente, in der Nähe klirren hörte. Die glaslosen Fenster in der Fassade waren ohne grosse Sorgfalt mit Brettern zugesperrt. Durch einen handbreiten Spalt zwischen zwei der Bretter konnte er erkennen, wie sich draussen in der Dunkelheit ein Schatten vom Zaun auf das Haus zu bewegte. Der Schatten schlenderte gelassen vorwärts, als hätte er alle Zeit der Welt. John drehte sich hastig um und er erkannte mit Schrecken, waru sich der Schatten dort draussen so viel Zeit nehmen konnte.
Das spärliche Licht schien auf eine Wand. Eine kalte, nackte Wand aus 50cm dickem Beton. Keine mit Bretter abgesperrten Türen oder Fenster – Nur diese graue, feste Mischung aus Zement, Sand und Kies.
Der einzige mögliche Fluchtweg von der Schattengestalt weg, war die Treppe in den zweiten Stock. John hastete die noch provisorisch gebaute Treppe hoch, welche unter seinem Gewichte bei jeder Stufe knarrte. Auf dem ersten Stock war bisher nur der Boden schon fertig. Die Wände waren wie im Erdgeschoss ganz durchgezogen, ohne Fluchtmöglichkeit (abgesehen von der Richtung, aus der John herkam und die Schattengestalt nur auf ihn wartete). Er hastete eine weitere Treppe hoch ins zweite Stockwerk. Oben kam er mit lautem Gepolter und keuchend vor Anstrengung an. Langsam machte sich die gesamte Fluchtaktion bei ihm bemerkbar. Er war erschöpft. Er war schon Müde, als er aus dem Pub kam. Er verliess das ‚Valentines’ kurz nach 12 Uhr. Kaum war er ein paar Schritte gegangen, flog ein Meser knapp an siner Nase vorbei und prallte an der Hauswand links von ihm ab. Er erschrak fast zu Tode und rannte so schnell er konnte davon. Dabei bog er in mehrere dunkle Gassen ab. Als er nach einigem Abbiegen anhielt, dachte er zeurst, er wäre einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Bei seiner Verschnaufpause hörte er jedoch Schritte in der Nähe und als er sich umdrehte, da sah er zum ersten Mal die in dunkle Kleidung gehüllte Schattengestalt die in der Dunkelheit auf ihn zukam. Er lief weiter, doch jedes Mal wenn er sich umdrehte sah er, wie die Schattengestalt ihm dicht auf den Fersen war oder gerade um eine Ecke in seine Richtung bog. Da merkte er, dass er offensichtlicht verfolgt wurde und sich sein Verfolger nicht so leicht abschütteln liess. Schlussendlich, nach einer Verfolgungsjagd die ihm wie Stunden vorkam, kam er zu der Baustelle wo er nun auf der obersten Etage in der kalten Novembernacht stand.
John hörte, wie die Schattengestalt das Brett, welches wohl noch nicht ganz abgefallen war, bei der Eingangstür des Hauses beiseite schob. John sass wie eine Maus in der Falle. Er suchte sich verzweifelt und schwer atmend nach einem Fluchtweg oder einer Waffe um. Das Einzige gebrauchbare was er auf die Schnelle fand, war eine verrostete Eisenstange. Sie war achtlos von der ehemaligen Baufirma hier oben liegen gelassen. Hier auf dem zweiten Stockwerk, welches keine Bedachung hatte und somit Wind und Wetter ausgeliefert war. Er nahm die Eisenstarnge auf. Sie war etwas schwerer als er gedacht hatte, aber das war ihm gerade Recht in diesem Moment. Je schwerer die Stange war, mit desto mehr Wucht konnte er sie seinem Verfolger über den Kopf ziehen. John war nicht besonders stark oder trainiert. Er hatte einen kleinen Bierbauch von seinen Kneipengängen und hatte, wenn er ganz ehrlich war, ein Fitnessstudio noch nie von innen gesehen. Doch seine Kondition reichte vollkommen aus, um minderjährige Mädchen zu vergewaltigen. Vor knapp zwei Wochen sass er deswegen noch im Gerichtssaal vor Richter Brown. Der Staatsanwalt war ein hartnäckiger Bursche gewesen. Doch seine Anwältin war besser und hatte John noch einmal aus der Affäre ziehen können. Natürlich hatte er es getan und er würde es wieder tun. Er überlegte sich damals im Gerichtssaal sogar noch, ob sein nächstes Mädchen die Tochter des Staatsanwaltes sein könnte. Wenn, dann würde er dies aber erst tun, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen war. Er konnte diesn jungen, unberührten Wesen einfach nicht wiederstehen. Der Gedanke, dass er der erste sein würde, der diesen Mädchen endlich das Gefühl geben konnte, eine Frau zu sein, erregte ihn jedes Mal bis aufs Äusserste. Zudem hatten die heutigen Mädchen schon im zarten Alter von etwa 12 Jahren schon ansehnliche Kurven und eine betörende Oberweite die sie zur Schau stellten. Warum also eine komplizierte Beziehung mit gleichaltrigen eingehen?
Momentan hatte er jedoch nicht die Zeit, solch für ihn schönen Gedanken nachzuhängen. Momentan stand John Edwards in Todesangst auf einem Dachlosen Haus in zweiten Etage. Momentan nagte die kalte Novemberluft an seinen müden Knochen. Momentan stieg eine in schwarz gehüllte, schattenähnliche Gestalt die provisorische Treppe in der ersten Etage eines Hauses hoch, welches wohl nie fertiggestellt werden würde. Ein unbekannter Verfolger, der vermutlich nur das Ziel hatte, John umzubringen, nachdem er ihn vor dem Pub fast die Nase abgehackt hatte.
John stellte sich in einen Toten Winkel beim Treppenabsatz, in der Hoffnung so seinen Verfolger überraschen zu können. John liess es trotz der gefährlichen Situation zu, dass seine Gedanken um die Schattengestalt kreisten. Er fragte sich, wer dieser Unbekannte war. Vielleicht ein Elternteil eines seiner Mädchen? Oder eine der Mädchen selbst, dass sein Geschenk an sie nicht zu würdigen oder verstehen wusste? Oder gar der Staatsanwalt, der seine Niederlage im Gericht nicht verkraften konnte?
John kehrte schlagartig wieder auf den Boden der zweiten Etage des unfertigen Hauses zurück, als er die Schritte auf der Treppe unter sich vernahm. Er spannte jeden einzelnen seiner übermüdeten Muskeln an. Wenn er das überleben würde, so dachte er, dann würde er wohl mehr als einen Tag ziemlich derben Muskelkater haben. Er hörte erneut eine der Treppenstufe ächzen. Das Geräusch der Treppenstufe war nicht so laut wie zuvor bei John selbst (das vermutete er zumindest, doch in seiner momentanen Verfassung konnte er sich das genauso gut auch nur einbilden). Die Schattengestalt war demzufolge also leichter als er, oder sie wusste sich zu bewegen. Es knarrte erneut und John war sich sicher, dass beim nächsten Geräusch der Treppe auch der Kopf seines Verfolgers am Absatz sichtbar werden würde.
Doch es kam kein weiteres ächzen der Holzstufen mehr. Verwirrt liess John die plötzliche Stille auf sich wirken. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Sekunden nichts mehr zu hören war, ausser dem Novemberwind der sanft um seine Ohren säuselte. Für einen Moment überlegte er, ob er sich das Alles nur eingebildet haben könnte. Seine menschliche Neugierde (und natürlich auch seine menschliche Dummheit) veranlassten ihn, sich leicht nach vorne zu beugen um einen Überblick über die Lage zu gewinnen. Es war ein Fehler. Vermutlich sein grösster und auch letzter Fehler den er je begehen würde. In dem Augenblick in dem er sich bewegte, schoss eine stählerne Klinge neben seinem rechten Fuss durch den verwitterten Holzboden. Die Klinge riss Johns rechtes Hosenbein auf und er stiess einen spritzen Schrei aus, der für einen Mann wie ihn sehr ungewöhnlich war.
Er hechtete zur Seite weg, die Eisenstange noch immer fest umklammert. John landete auf der rechten Körperseite. Er merkte durch den Schock gar nicht, dass er sich die Schulter geprellt hatte. Der Boden des Stockwerks war durch den kürzlichen Regen noch etwas nass, sodass John noch ein, zwei Meter über den Boden schlitterte. Für den ersten Augenblick war John etwas benommen und orientierungslos, er musste zuerst alles wieder ordnen. Dann sah er den dunklen Umhang nicht weit entfernt von sich flattern und setzte sich schlagartig auf. Da sah er die Schattengestalt zum ersten Mal in voller Grösse und aus der Nähe. Da John noch immer auf dem Boden kauerte, sah die Gestalt riesig und bedrohlich aus. Schwarze Stiefel, schwarze Hosen, schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Handschuhe und ein Schwarzer Umhang mit Kapuze. Dazu wurde noch ein schwarzes Tuch (oder womöglich auch ein Schal) um die untere hälfte der Gesichtspartie gebunden. Kurzum, ausser den stechend grünen Augen war nichts ausser Schwarz und ein bisschen blasser Haut zu sehen, die im Schatten der Kapuze grau erschien. Der Gesamteindruck war Grauen erregend. Doch das schlimmste an diesem Anblick war die aus dem Ärmel ragende, im Zwielicht leicht blitzende Klinge. Sie war eine Elle lang und schien wie ein Schwert aus dem Arm der Schattengestalt zu ragen.
John war für einen Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt und die dunkle Gestalt vor ihm machte auch keinen Wank, sondern starrte nur zu ihm hinunter.
Augenblicklich später (John konnte nicht beurteilen, ob dies nun etwas mit Mut, Adrenalin oder einfach nur blanker Todesangst zu tun hatte) riss er sich aus seiner halb sitzenden Position auf die Füsse und schwang dabei die Metallstange wuchtig in die Richtung der Schattengestalt. Es klirrte Metall auf Metall und einen Moment später spürte John, wie ihm die Eisenstange aus den Fingern glitt. Kurz darauf das Scheppern von schwerem Eisenmetall auf Holzboden. John hatte kein Raumzeitgefühl mehr. John hatte eigentlich gar nichts mehr, ausser seiner Todesangst die momentan sein Handeln übernahm. Die Schattengestalt hatte mit ihrer Klinge den Schlag der Eisenstange abgewehrt und sie ihm mit einer kreisenden Bewegung aus der Hand geschlagen. John überliess seinem Urinstinkt, nämlich der Todesangst, die gesamte Kontrolle über seinen Körper. Es kam ihm vor, als würde er aus einer weit entfernten Welt zuschauen. Einer Welt, die mit Wattebällchen zugepolstert war und alle Geräusche dämpften. Eine Welt, die nur in Zeitlupe ablief. Er sah zu, wie seine rechte Hand sich zu einer Faust ballte, ausholte und im nächsten Augenblick auf das vermummte Gesicht zusteuerte.
John sah der Gestalt dabei in die Augen. Die stechend grünen Augen sahen zurück in die seinen und liessen auch nicht mehr von ihm ab. Auch nicht, als Johns Faust eine handbreit vor ihnen auf Nasenhöhe zum stehen kam. Über seine eigenen Knöchel hinweg konnte er sehen, wie die Augen mit dem grünen Schimmer darin böse zu ihm herüberfunkelten. Ein leichter Schmerz durchzuckte seinen Arm. John dachte zuerst, die Klinge hätte seinen Arm durchbohrt und er spüre den Schmerz nur entfernt. Sowie er auch nur den Splitter in seinem Trizeps weit entfernt spürte. Doch die Klinge war verschwunden. Der Schmerz in seinem Arm wurde allein durch den starken Griff um sein Handgelenk ausgelöst. Ein Griff von einer Hand, die etwas kleiner als seine eigene war. Etwas kleiner und auch schmaler, fast schon zierlich mit schwarzem Leder umhüllt. Sein Blick wanderte von der Hand an seinem Gelenk wieder über die Knöchel, welche sich nun leicht zitternd bewegten, zu den grünen Augen zurück. Sie hatte zu keiner Zeit von ihm abgelassen und blitzen nun erneut. Der Griff um sein Handgelenk änderte sich, doch Johns Blick liess nicht ab von den klaren grünen Augen. Nun wurde ihr Blickkontakt aber gezwungenermassen durch die blutige Klinge unterbrochen, die in rasantem Tempo nach oben schnellte. Zuvor war die Klinge noch makellos sauber gewesen. Eventuell mit einem Rostkratzer von der Eisenstange versehen, aber mehr nicht. Nun aber war die Klinge voll frischem Blut, welches im Mondschein dunkelrot und glänzend das Metall hinunterlief. Ein höllischer Schmerz durchzuckte John plötzlich. Automatisch riss er seinen rechten Arm zurück und taumelte einen ganzen Schritt zurück. Einen Schritt näher an den Rand des zweiten Stockwerkes hin. Weiterhin spürte er einen grässlichen und lang anhaltenden Schmerz. Sein rechter Arm zuckte unwillkürlich. Der Schmerz schien zwischen seinem Herzen und der rechten Hand hin und her zu rasen. Pochend, pumpend, immerzu hin und her durch seinen Arm hindurch. John schaffte es seinen zuckenden Arm soweit unter Kontrolle zu bringen, dass er ihn unter heftigem Zittern etwas in die Höhe heben konnte. Da sah er es, das was den Schmerz verursachte. Beziehungsweise, er sah eben gerade nichts mehr. Dort wo früher sein Kleiner-, Ring- und Mittelfinger war, waren nun nur noch die Stummel davon übrig, aus denen kleine Blutfontänen spritzen. Seine drei Fingern lagen auf dem Holzboden verteilt, an seinem Ringfinger steckte noch immer sein Siegelring aus Onyxgestein.
Ein keuchender Laut entfuhr Johns Kehle, ehe er an gerade eben dieser gepackt und zwei Schritte rückwärts gedrängt wurde. Er spürte wie er mit der linken Ferse über den Abgrund trat. Die Schattengestalt hatte sich ihm so schnell genähert während er seine Hand betrachtet hatte, dass er gar nicht wusste wie ihm geschah, bis er nun mit einer Ferse in der Luft und mir hohlem Kreuz nach hinten gebeugt dastand. Er wirbelte mit den Armen. Aus seiner rechten Hand spritzte Blut und verteilte sich überall in der Näheren Umgebung. Mit der linken schnappte er nach der Hand, die ihm auf die Kehle drückte, konnte sie aber nicht entfernen. John entfloh ein leises würgen. Die Schattengestalt hob ihren rechten Arm langsam und mit geballter Faust nach oben. Die Klinge war erneut verschwunden, doch nun tropfte Blut von der mit schwarzem Leder umhüllten Faust.
Ein erneuter Würgelaut von John war zu hören und die Schattengestalt lockerte ihren Griff um den Hals etwas, sodass er sprechen konnte.
„Bitte… nicht…“, brachte er leise krächzend heraus. Er sah wieder in die tiefgrünen Augen der Schattengestalt.
„Das haben Ihre Mädchen doch sicher auch alle zu Ihnen gesagt?“, ertönte die durch den Schal gedämpfte Stimme der Schattengestalt.
John sah sie nun erstaunt und mit grossen Augen an. Nicht nur über den Inhalt des Satzes wunderte er sich, sondern auch über die Tonlage. Obwohl die Stimme gedämpft war, konnte er klar und deutlich eine angenehme, nicht allzu hohe Frauenstimme erkennen.
„Betty… Clara… Susan... und wie sie alle hiessen…“, fügte die Schattengestalt hinzu. Johns Augen weiteten sich noch mehr. Die Stimme passte zu den schmalen Händen, der leichten Gangart, den grünen Augen. Aber vor allem kannte er diese Stimme. Es schien ihm wie ein Déjà-vu.
"Wer...", fragte John mit leiser und zittriger Stimme. Die Schattengestalt entspannte ihre rechte Faust und führte sie zur ihrem Gesicht. Langsam zog sie den Schal bis unter ihr Kinn. Johns Augen weiteten sich vor Erkenntnis. Er wusste nicht was erstaunlicher war:
Dass diese Frau, die ihn vor ein paar Stunden noch besucht hatte, die ihn über mehrere Wochen hinweg auf juristischer Ebene begleitete hatte, nun seinen Tod wollte, oder dass diese eigentlich zierlich erscheinende Frau in der Lage gewesen ist, ihn so überrumpeln zu können, dass es ihr tatsächlich gelingen könnte ihn zu töten.
Nun wurde ihm einiges klar. Sie war vor wenigen Stunden noch bei ihm. Er hatte ihr erzählt, dass er heute Abend ins Valentines gehen würde. Er hatte sie sogar noch eingeladen. Ihre Augen verrieten alles, es war alles genau geplant. Sie wollte ihn vor dem Valentine's gar nicht treffen, sie wollten ihn hier haben. Vermutlich hätte sie auch noch ein weisses Kreuz an seinem jetzigen Standort machen können.
John hatte aufgehört mit den Armen zu wedeln. Sein rechter Arm baumelte schwach nach unten, während permanent Blut aus seinen Fingerstummeln gepumpt wurde. Es hatte sich inzwischen eine ansehnliche Blutpfütze gebildet, die auch die Hausmauer hinunter rann. Seine Linke umklammerte nur noch schwach die Hand welche einen festen Druck auf seine Luftröhre am Hals ausübte.
"Warum...", setzte John leise krächzend an, konnte den Satz aber nicht beenden. Er würde den Satz nie beenden können, da in diesem Moment die Klinge unter dem Mantel des rechten Armes seiner Gegenüber hervorschnellte und seinen Brustkorb durchbohrte.
Ein röchelnder Laut drang aus Johns Kehle und seine Augen quollen aus den Höhlen. Blut lief über seinen Brustkorb, Rücken und das Stück der Klinge welches noch aus seinem Körper ragte.
Die Schattengestalt riss ihren Klingenarm zurück. Johns Körper ruckte unter dieser kräftigen Bewegung, während er seinen letzten Atemzug tat. Seine Augen wurden leer und kalt, sein Körper schwankte, ehe er rücklings zusammensackte und vom Gebäude fiel.
Die Schattengestalt zog mit der linken, sauberen Hand ein weises Tuch unter dem Umhang hervor. Als sie mit diesem über die Klinge glitt, färbte sich das Tuch sofort rot. Dieser Vorgang wiederholte sich mit fünf weiteren Tüchern, mit denen sie auch Handschuhe und Fussohlen reinigte. Die Tücher achtlos auf den Boden geworfen, zog die Schattengestalt den Schal wieder über die untere Gesichtshälfte, raffte den Umhang und verschwand...